Attraktiver Lebensraum
Genug Regen, ausreichend Sonne, fruchtbare Weiden, reiche Bodenschätze wie Eisen- und Kupfererze und Silber: All das machte das Montafon und vor allem den Bartholomäberg zu einem wirtschaftlich attraktiven Lebensraum für die frühen Siedler. Sie betrieben Bergbau und nutzen die Flächen für die Weidetierhaltung über den Fritzensee hinaus. Außerdem war die Talschaft sehr gut vernetzt. Durch die Pässe nach Süden ins schweizerische Engadin und nach Tirol, war sie in ein großräumiges inneralpines Kommunikationsnetz eingebunden und es bestand ein reger Austausch und Handel.
Allmein, Fritzensee: Von Menschen und Böden am Bartholomäberg
Boden ist die lebendige Hülle unserer Erde, der Bereich zwischen Pflanzendecke und Gestein. Er wird gepflügt, beweidet, gedüngt, bebaut und das schon seit Jahrtausenden. So hinterlässt der Mensch dort im Lauf der Zeit zahlreiche Spuren. Die leuchtend rotbraunen Böden im Montafon sind Zeugen dieser ereignisreichen Besiedlungsgeschichte. Am Bartholomäberg gibt es kaum einen Winkel, der nicht innerhalb der letzten 4000 Jahre schon einmal vom Menschen betreten und überprägt wurde, sei es durch Brandrodung, Alpwirtschaft, Bergbau oder Siedlungen.
In der Geoarchäologie werden 1–2 m tiefe Schürfgruben angelegt, um ihren Aufbau zu studieren und sie als Umweltarchiv auszuwerten. Die bodenkundlichen Studien in Kombination mit den pollenanalytischen und archäologischen Untersuchungen ermöglichen es ein detailliertes Bild der unterschiedlichen Nutzungen in der Vergangenheit zu zeichnen. In die Böden sind bis zu 4000 Jahre alte Holzkohlelagen eingebettet, die den Wandel vom Wald zur Kulturlandschaft bis in die Höhe der heutigen Almbereiche dokumentieren. Feuer war das einzige effektive Instrument, Freiflächen für Vieh zu schaffen, und davon haben die Menschen reichlich Gebrauch gemacht. Der einst natürlich entstandene Boden unter dichtem Fichten-Tannen- Wald wurde erodiert und ist deshalb nur noch vereinzelt in geschützten Lagen erhalten. Stattdessen sind die Böden aus verschieden alten Ablagerungen aufgebaut. In der Knappagruaba wurde der Boden nicht nur abgetragen und umgelagert, sondern zudem von Haldenabraum des eisenzeitlichen und mittelalterlichen Bergbaus begraben. Aufgrund dieser Belege wissen wir, dass es schon spätestens ab der Eisenzeit eine räumliche wie wirtschaftliche Trennung in drei Gebiete gab: eine Weide-, eine Bergbau- und eine Siedlungszone.
Die Grenze zwischen Weide und Bergbau verlief etwa auf der Höhe des Panoramawegs Fritza Legi. Die Hauptsiedlungslagen befanden sich in prähistorischer Zeit – ähnlich wie heute – im Bereich der Verebnungen unterhalb der Knappagruaba.
Die Böden als Bewahrer archäologischer Funde bedecken diese nicht nur, sondern lassen sich in Zusammenhang mit der Archäologie geoarchäologisch weiter auswerten. Dadurch können verschiedene Funktionsbereiche ausgewiesen werden, die mehr über das Leben in damaliger Zeit verraten, z. B. in welchen Bereichen gekocht wurde, wie heiß das Feuer war und wie sauber das Haus. Aber auch die Standorte von Ställen und Müllgruben können lokalisiert werden. Im Allgemeinen ist es tatsächlich so, dass Plätze, an denen der Mensch lebt, schmutziger sind. In Dünglers Ebni trifft man auf die eigenartige Situation, dass die Eisenzeitler ausgerechnet auf einem ehemaligen Bachgerinne siedelten. Hier muss es ziemlich feucht gewesen sein. Doch entweder war dieser Umstand zunächst nicht zu erkennen, da der Wasserfluss nur noch unterirdisch erfolgte, oder die flachen Bereiche, die sich zum Siedeln eignen, waren so rar, dass die Menschen den feuchten Untergrund in Kauf nahmen. Jedenfalls wussten sie sich zu helfen und legten ein Steinpflaster an. Binsen und Sauergräser auf der heutigen Wiese weisen bis heute in die Gegenwart auf Vernässung hin. Der Aufbau des Bodens zeigt, dass es in späterer Zeit einen zusätzlichen Erdauftrag gegeben hat, vermutlich um Ackerbau zu ermöglichen. Bis in die 1950er Jahr hinein war das in dieser Höhe keine Besonderheit.
Die Alpen, wie wir sie mögen
Die prähistorischen Siedler verfügten offenbar über das Wissen, dass nach der Rodung des Fichtenwalds fruchtbare Alpen geschaffen werden können. Sonst lassen sich diese umfassenden flächenhaften Eingriffe vor 4000 Jahren nicht erklären. Sie bildeten die Grundlage für eine erfolgreiche Subsistenzwirtschaft. Durch sie wurde eine „zweite Natur“ geschaffen, die für unsere moderne Gesellschaft einen hohen Stellenwert als Ort der Erholung, Bewegung und Naturbegeisterung hat. Die heutigen Menschen haben zu dieser Kulturlandschaft wie auch zu Hecken, Hudewäldern, Heideflächen oder Kastanienselven eine Beziehung aufgebaut und betrachten sie als angenehme Orte. Diese gilt es zu erhalten, weshalb sich Fachleute dafür aussprechen, genau diese Landschaften zu schützen. Tendenzen wie die „Verfinsterung“ der Lichtweiden oder das Ausbreiten der Alpenrose aufzuhalten, wird eine Herausforderung der nächsten Jahrzehnte darstellen. Die Alpenrosen werden nicht vom Vieh gefressen und müssen gereutet (ausgerissen) werden – Pflegemaßnahmen, die im 19. Jh. schon die Bauern im benachbarten St. Antöniertal haben verzweifeln lassen. Mit den Sträuchern und Fichten kehrt ebenso der unfruchtbare Boden Podsol zurück und es schließt sich der Kreis.
Montafon-Projekt der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Texte: Prof. Dr. Rüdiger Krause und Mitarbeiter, Institut für Archäologie Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main