Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze

Kraxeln im Angesicht der Steinböcke

Wie wäre es, eine spannende Halbtages-Wanderung zu unternehmen, um am Nachmittag noch etwas Zeit zu haben – für weitere Aktivitäten, Bummeln oder einfach nur, um die Beine genießerisch in die Vertikale zu legen? Ist eine rund 3-stündige Tour dann aber nicht eher langweilig? Ich wollte es wissen und habe mich im BergePLUS-Programm für die Wanderung auf die Zamangspitze angemeldet. Treffpunkt: Grasjoch Bahn in St. Gallenkirch.

Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze Impression #1

Eine Landschaft gehüllt in mystische Szenen

Volltreffer: Ich habe einen der zwei Regentage im August erwischt. Genauer gesagt, hat es seit fast dreimonatiger Trockenperiode zum ersten Mal geschüttet was das Zeug hält (oder auch nicht hält. Denn es mussten sowohl die hiesige Autobahn wie auch Landestraße gesperrt werden). Was soll’s. Wechselnde Lichtverhältnisse können die Landschaft in mystische Szenen setzen. Ich wollte es ja spannend.

Aufgrund der Situation haben die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der BergePLUS Tour abgesagt, so komme ich in den Genuss eines Privat-Wanderführers namens Alfred. Und in den Genuss von Geschichten aus dem Leben in den Bergen sowie über die Besonderheiten des Gebirgszug Verwall, indem wir uns befinden. So erfahre ich gleich in der Gondel von dem Top-Skifahrer Max Hitzig aus St. Gallenkirch, der diesen Winter als „unbeschriebenes Blatt“ mit 19 Jahren eine Wildcard für die Freeride World Tour Finals in Fieberbrunn erhielt – und prompt gewann.

Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze Impression #1

Der Gipfel der Zamangspitze

Bei so vielen Geschichten aus dem Ski-Zirkus schaue ich aus der zweiten Bergbahn, der Hochalpila, auf die Hänge, die ich vom Winter schneebedeckt kenne. Nun liegen sie als grüne Alpwiesen vor mir, durchzogen von ein paar Bächen. Alfred erklärt mir die Rück- und Umbauten aus dem ehemaligen Skigebiet zur heutigen Silvretta Montafon, das den Skifahrern optimale Verbindungen in allen Schwierigkeitsgraden zwischen Sennigrat und Grasjoch ermöglicht. Kaum aus der Gondel gestiegen, erblicken wir schon unseren Gipfel der Zamangspitze und den Grat. Pure Vorfreude! Am Fels zu unserer Rechten ist eine Infotafel zum Hochjoch-Klettersteig angebracht: Schwierigkeit B, drei Stunden Gehzeit.

Der Blick nach links reißt mich aus meinen Träumen, und doch traue ich meinen Augen nicht: Eine ganze Herde an Steinböcken schaut zu uns hinab. Vorsichtig gehen wir auf unserem Weg weiter und kommen ihnen so noch näher. Von meinem Wanderführer erfahre ich, dass die Herde sich hier in einem relativ kleinen Umkreis bewegt. So verbrauchen die Wiederkäuer nicht allzu viel Energie und können gut überwintern. Futter finden sie dennoch auf Lawinenhängen, an denen das Gras zum Vorschein kommt.

Wenn man die Steinböcke so anschaut, fühlt man fast schon ihre amüsierten Blicke über das Gestackse der Zweibeiner hier oben. Oder über die versuchte Vierbeiner-Variante mit Stöcken. Nun denn, die einen sind geboren, um an gähnenden Abgründen ihren Abendschmaus zu finden, die anderen, um in der Horizontalen ihr Dasein zu fristen. Jeder hat seine Berechtigung.

Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze Impression #1

„Jeder hat seine Berechtigung.“

Dieser Satz fällt bei den Gesprächen mit Alfred übrigens öfter, so auch beim Thema „Winter- versus Sommertourismus“. Klar ist: Rückzugsgebiete für Tiere und Naturschutzgebiete müssen immer geachtet werden. Der Natur- und Umweltaspekt hat in Vorarlberg einen hohen Stellenwert, wie ich von Alfred erfahre. Gleichzeitig hat auch der Mensch seine Berechtigung. Solange er sich an die lokalen Gegebenheiten hält, soll dies hier im Einklang mit der Natur möglich sein.

Wir schauen hinunter auf den Zufahrtsweg zur Wormser Hütte. Typische Kieswege von ca. zwei Meter Breite, die nicht erodieren und auch Mountainbiker nutzen dürfen. Das war nicht immer so, wie mir Alfred erklärt: Als die ersten Räder die Ü-7-Gänge-Party rockten und Berge hochkurbelten, mussten zunächst noch Haftungsfragen geklärt werden. Diese hat mittlerweile das Land Vorarlberg übernommen und unterstützt das respektvolle Nebeneinander von Wander- und Mountainbike-Tourismus.

Gelb, Rot, Blau – reines Farbenspiel

Schon bald erreichen wir die gemütliche Wormser Hütte, vor allem das obere Stockwerk mit den Zimmern und Matratzenlagern sind laut Alfred noch richtig urig. Mein Kopfkino läuft wieder an, als ich vom rund 8-stündigen Hüttenübergang Wormser Hütte zur Heilbronner Hütte erfahre.


Von der Wormser Hütte könnte man auch absteigen zum Kapell, wo vor allem Kinderherzen am Abenteuerspielplatz Hochjoch laut schlagen werden. Wir aber gehen in leichter Steigung weiter hinauf, auf einem schmalen Pfad zum Kreuzjoch, das wir in rund 15 Minuten erreichen. Weiter geht es auf schmalen Wegen und im mystischen Licht zwischen Erika-Polstern auf den Grat Richtung Zamangspitze. Wir kommen an eine Stelle mit zwei Wegmöglichkeiten.

Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze Impression #1

Kleine Farbenlehre

Alfred erklärt, dass gelb-weiße Markierungen auf einfache, meist talnahe Wege hinweisen, rote-weiße Markierungen auf schmälere, steilere Passagen und überwiegend unbefestigte Wege. Die blaue Farbe steht – anders als beim Skifahren – für Wege mit steilen, teilweise ausgesetzten Stellen, evtl. auch mit Kletterpassagen. Auf die Zamangspitze kann man auf rotem sowie blauem Weg gelangen, wir wählen die blaue Variante. Und die macht richtig Spaß! Auch wenn die leichte Kletterei viel zu kurz ist, spannend ist sie allemal. Hier mal Hand an den Fels legen, dort mal eine kurze Seilversicherung – es gibt auch einen ganz kleinen Kamin;). Klar, wer mehr Kletter-Adrenalin braucht, der kann den Piz Buin begehen, der sich heute partout nicht zum Angucken entblößen will. Die Vallüla hingegen zeigt sich in ihrer vollen pyramidenförmigen Pracht. Und dann erneut Vierbeiner: Unter uns auf den Hängen sehen wir eine ganze Herde Gämse!

Wanderwegekonzept Vorarlberg

Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze Impression #1

Geschafft! Und doch viel zu schnell...

Viel zu schnell stehen wir am Gipfel der 2.386 Meter hohen Zamangspitze. Obligatorisches Gipfelfoto – und noch obligatorischer: die Jause, die nirgends so gut schmeckt wie oben am Gipfel! Immer wieder eröffnen sich atemberaubende Ausblicke, die kurz imposante Berge freilegen, nur sich um kurz darauf wieder in Wolken zu verhüllen. Ich klaue jetzt mal Alfreds wording: Reiner Alpen-Striptease. Das aber mit sparsamen freigelegten Ein- bzw. Ausblicken. Wie wir so auf die 226 Gipfel kommen sollen, die auf der Panoramatour eigentlich ins Blickfeld rücken sollen, ist mir fraglich. Zumindest bei wechselnden Wetterverhältnis und im Umfang einer 3-stündigen Tour. Man muss ja aber nicht immer gleich alle Gipfel auf einmal sehen – ein Ratespiel ist da ungleich spannender :)

Ein reiner Alpen-Striptease

Wir schauen direkt unter uns und erkennen den gut begehbaren schmalen Pfad der roten Variante. Gegenüber im Sonnenlicht das Gargellener Tal, die Straße schlängelt sich hier zwischen sattgrünen Wiesenstreifen und jede Menge Bächen hinauf zum markanten Massiv der Madrisa. Rechts davon eröffnen sich Panoramablicke auf die Sulzfluh, die Drei Türme hingegen, denen man bei der Gauertaler Schneeschuhtour nahekommt, bleiben versteckt. Es ist Zeit für den Abstieg … und die Farben Gelb, Rot und Blau begegnen uns prompt wieder. Diesmal lebendig, als Blutwurz, Alpendistel, Preisel- und Heidelbeeren (wie man Letztere von Rauschbeeren unterscheidet, habe ich schon auf meiner Wanderung aufs Muttjöchle erfahren ;)).

Panorama-Wanderung auf die Zamangspitze Impression #1

Das Alpenmosaik Montafon

Alpenblumen, Steinböcke, Gämse, geologische Formationen und spannende Geschichten in die Vergangenheit – mir ist klar: Ich werde im Alpenmosaik Montafon in den vier Erlebnisräumen noch viel mehr wandern. Es gibt ja noch den Herbst. Und das nächste Jahr kommt bestimmt.


Voller Eindrücke im Gepäck gondeln wir mit der Grasjoch Bahn hinab. Ich danke meinem Wanderführer für die tolle Tour, vielen Informationen und ruhige Momente. Noch bevor ich mit dem Gravelbike zum Bergdorf Gargellen hochkurble (es hat oben vom Gipfel einfach einen Sog ausgeübt), lockt die neue, im urig-modernen Stil errichtete Hütte unweit der Talstation auf einen leckeren Cappuccino. Man weiß sie einfach zu schätzen, die regionalen, authentischen Gastronomie- und Unterkunftsmöglichkeiten, die es hier noch gibt. Auf bald!

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