Hoch lebe der Piz Buin

150 Jahre-Jubiläum

Wohi gôt's

"Echt Muntafu" Ausgabe 02 / 2015

Im Sommer jährt sich die Erstbesteigung des Piz Buin zum 150. Mal. Dieses Jubiläum wird dies- und jenseits des Vermuntpasses gefeiert. 

Der Berg ruft – und viele folgen. Mitte des 19. Jahrhunderts, im „Goldenen Zeitalter des Alpinismus“, entbrennt unter Abenteurern, Wissenschaftlern und Naturliebhabern ein regelrechter Wettlauf auf die Gipfel. Einen Höhepunkt erreicht diese Ära mit der Erstbesteigung des Matterhorns am 14. Juli 1865 – an einem Tag, an dem auch in Vorarlberg Alpingeschichte geschrieben wird.



“Der Piz Buin bietet einen guten Einstieg in den Hochalpinismus. Jeder fähige Wanderer schafft den Aufstieg – in Begleitung eines Bergführers.”

Hanno Dönz, Schruns - Präsident des Internationalen Bergführerverbandes

Frühmorgens brechen die bergnärrischen Kaufleute Johann Jakob Weilenmann aus St. Gallen und Joseph Anton Specht aus Wien von der Alpe Großvermunt auf der Bielerhöhe, wo heute der Silvrettasee liegt, auf. Zwei Tiroler Führer, Gamsjäger Franz Pöll aus Mathon und Jakob Pfitscher aus dem Passeiertal, begleiten sie.
Der Weg führt über Vermuntgletscher, Wiesbadener Grätle und Buinlücke, Geröllhalden und Gletscherspalten. Ihr Ziel: der jungfräuliche Gipfel des Piz Buin. Dort, in 3.312 Meter Höhe angekommen, fasst Weilenmann seine ersten Eindrücke in blumige Worte: „Das Auge schwelgt im Anblick der rings am Himmelssaum funkelnden Firne, das Herz fühlt sich ergriffen von der feierlichen Stimmung, die durch den unermesslichen Raum weht.“ Beim „Steinmannli“ hinterlassen die „Eroberer des Piz Buin“ in einer Flasche Nachricht und Zeugnis ihrer Erstbesteigung.



“Die ersten Vorarlberger standen 1866 am Gipfel. Einer davon, der Feldkircher Gymnasialprofessor Hermann Sander, hat über diese Besteigung geschrieben und damit zur Popularität des Piz Buin beigetragen.“

Michael Kasper, Gortipohl - Historiker und Leiter Montafoner Museen

Der Dreitausender ist die höchste Erhebung in Vorarlberg, die dritthöchste im Silvretta-Gebirge. Und er markiert die Grenze zwischen Österreich und dem Schweizer Kanton Graubünden. Der Name Piz Buin rührt laut dem Historiker Michael Kasper von der grenzüberschreitenden Alpwirtschaft her: „Im gesamten Gebirgsraum wurden bereits seit früher Zeit intensive Kontakte mit Nachbarregionen gepflegt.“ So zogen die Engadiner Bauern, bis vor 100 Jahren Eigentümer der Alpen im Vermuntgebiet, mit ihrem Vieh im Frühjahr und Herbst über den Pass ins Ochsental. Den Berg am südlichsten Ende des Tales nannten sie kurzerhand Ochsenspitz – rätoromanisch Piz Buin. 



„Der Ochsentaler Gletscher, der größte seiner Art in Vorarlberg, ist seit 1850 stark zurückgegangen. Da er bis zu 150 Meter an Eisdicke verloren hat, ist dieser steiler, zerklüfteter und felsdurchsetzter geworden.“

Günther Groß, Thüringerberg - Gletscherforscher

 

Die Bedeutung dieses „herausragenden“ Berges für unser Ländle hängt eng mit der Eigenständigkeit Vorarlbergs zusammen. 1861 ist das Land Vorarlberg in seiner heutigen Form aus der Taufe gehoben worden. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Piz Buin auch zu einem eigenen Ziel für die aufkommenden Alpinisten. Bis dahin hatte der eher unscheinbare Berg, der vom Tal aus kaum zu sehen war, für die Montafoner  keine nähere Bedeutung. Man arbeitete hart und hatte keine Muße,  die Bergwelt zu erkunden. Durch die Vergletscherung des Piz Buin „verirrten“ sich auch keine Tiere und damit deren Hüter oder Jäger hinauf. Doch als die Bergsteiger den „Ochsenspitz“ für sich entdeckten, wandelte sich das rasch. Franz Josef Batlogg, Frühmesser und Montafoner Pionier, bezeichnete den Piz Buin bereits in den 1870ern als der „Vielbestiegene und Vielbeschriebene“. Und bis heute prägt der Berg die Identität unseres Landes. 

Sonnenbrand mit Folgen
Zu internationaler Berühmtheit gelangte der Dreitausender im Silvrettamassiv schließlich durch den Chemiestudenten Franz Greiter. Dieser hatte 1938 den Piz Buin bestiegen und sich dabei einen heftigen Sonnenbrand geholt. In den 40ern tüftelte er mit seiner Frau Marga an einer Creme, die die Haut vor den aggressiven Sonnenstrahlen schützen sollte, und brachte schließlich eine der ersten Sonnenpflegeprodukte der Welt auf den Markt: die „Piz Buin Gletscher Creme“.



„Die Schutzhütte am Fuße des Piz Buin ist zu meinem zweiten Zuhause geworden. Vor allem im Sommer dreht sich hier fast alles um den Berg.“

Andrea Micanova, Slowakei - Servicemitarbeiterin der Wiesbadener Hütte

Der Touristenmagnet
Mit Beginn des Alpinismus ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich auch der Tourismus und eröffnete neue Chancen  für die Region. Es brauchte Unterkünfte für die Bergsteiger, Gastwirtschaften und natürlich Bergführer, die sie sicher ans Ziel und wieder ins Tal brachten. Bis heute ist der Piz Buin aus dem touristischen Angebot nicht wegzudenken. „Als höchster Berg des Landes und Talabschluss ist der Piz Buin sehr dominierend“, bestätigt Manuel Bitschnau von Montafon Tourismus. Was sehr zu diesem hohen Stellenwert bei den Gästen beitrage, sei die Tatsache, „dass es sich dabei um einen durchaus zu bewältigenden Gipfel handelt.“ Man muss kein erfahrener Bergsteiger sein, körperliche Fitness reicht aus, um den Gipfel zu erklimmen. 

Touren auf den Piz Buin gehören zum Fixprogramm von Montafon Tourismus und sind Sommer wie Winter gut gebucht. Mehrmals wöchentlich begleiten die Bergführer Gäste und Einheimische auf Vorarlbergs berühmtesten Dreitausender. Alles, was man dafür benötigt, sind gute Bergschuhe und gebirgstaugliche Bekleidung. Die restliche Ausrüstung wird von den Bergführern gestellt. 



„Der Piz Buin ist ein Gästemagnet und für uns als Pächter der Wiesbadener Hütte von entsprechender Bedeutung.“

Heinrich Lorenz, Galtür - Hüttenwirt der Wiesbadener Hütte

Wettlauf auf die Gipfel

Zurück zur Erstbesteigung. Die war nämlich ein bisschen ein Zufall. Denn das eigentliche Ziel von Johann Jakob Weilenmann war der markante Piz Roseg in der Bernina-Gruppe, der ihn schon einmal zum Umkehren gezwungen hatte. Um nicht wieder unverrichteter Dinge heimzukehren, suchte er nach einem geeigneten Gipfel, den man auf der Durchreise „mitnehmen“ konnte. Die Wahl fiel auf den Piz Buin. Gamsjäger Pöll begab sich eigens ins Schweizer Prättigau, um nach Siegeszeichen auf der Bergspitze Ausschau zu halten. Denn eine Erstbesteigung musste es in jedem Fall sein. In der Schweiz nahm der Bergfex dann auch gleich noch etwas Tabak und Zucker mit. Zu jener Zeit entwickelte sich das Schmuggeln zu einem einträglichen Nebengeschäft, besonders für Bergführer. Während die Besteigung des Piz Buin wenige Tage später von Erfolg gekrönt war, bezwang Weilenmann den Piz Roseg aber auch diesmal nicht: Dieser war wenige Wochen von Engländern erstbestiegen worden und damit nicht mehr von Interesse. 



„Als Vorarlbergerin muss man einmal auf dem Piz Buin gewesen sein! Meine Tour habe ich in vollen Zügen genossen.“

Daniela Berloffa, Feldkirch - Online-Marketing bei Montafon Tourismus

Aus dem "Echt Muntafu" Ausgabe 02 / 2015

Der Schweizer Alpinist Johann Jakob Weilenmann unternahm neben dem Piz Buin zahlreiche weitere Erstbesteigungen in den Alpen. Seine Erfahrungen veröffentlichte er im Sammelband "Aus der Firnenwelt".

Die Geburtsstunde des Bergführerberufes im 19. Jahrhundert hängt mit der zunehmenden touristischen Erschließung und Nutzung der Bergregionen zusammen. Die Forscher waren auf gebietskundige und verlässliche Führer angewiesen, um ihre Gipfelziel zu verwirklichen. 

Die Wiesbadener Hütte (Bild) am Ende des Ochsentales und die Saarbrücker Hütte dienen als Ausgangspunkt für Touren auf den Pitz Buin und andere Gipfel der Silvretta.