Mobilität im Tal

Wie geht's wohin?

Wohi gôt's

"Echt Muntafu" Ausgabe 01 / 2016

Beim Thema Mobilität bekommt die Frage „Wohi gôt´s“ eine Zweideutigkeit. Im Nostalgiewagen der Montafonerbahn am Bahnhof Schruns trafen sich Standesrepräsentant und Bürgermeister Herbert Bitschnau, der Geschäftsführer der Montafonerbahn Bertram Luger sowie Christoph Breuer von der gemeinnützigen Wirkungsforschungs- und Entwicklungs GmbH Kairos und diskutierten über die Mobilität von morgen.

Das Interview

mit Christoph Breuer, Herbert Bitschnau und Bertram Luger

Herr Luger, bis „wohi gôt“ denn momentan die Montafonerbahn und wie weit soll sie zukünftig gehen?
B. Luger:
Die Montafonerbahn gibt es seit über 100 Jahren. Solange schon werden die knapp 13 Kilometer von Schruns nach Bludenz mit der Bahn verbunden. Unsere Vorfahren bewiesen damals Weitblick, als sie eine leistungsfähige, elektrisch betriebene Bahn und Normalspur bauten. Ein bisschen vom damaligen Pioniergeist täte uns heute auch gut. Derzeit sind wir in den Raumentwicklungsprozess eingebunden. Sollte es zu einer Verlängerung der Montafonerbahn kommen, stehen wir „Gewehr bei Fuß“. Es müssen nur die politischen Weichen dafür gestellt werden.

Herr Bitschnau, wurden die politischen Weichen bereits gestellt?
H. Bitschnau: Das anvisierte Ziel im Rahmen der „Raumentwicklung Montafon“ ist im ersten Schritt die Bahnverlängerung bis St. Gallenkirch und im zweiten Schritt weiter bis Gaschurn-Partenen. Politisch mussten wir eine Ehrenrunde drehen, weil sich durch die Wahlen 2015 die Verantwortlichen im Tal teilweise geändert haben. Es gibt neue Bürgermeister und Gemeindevertreter, die in den Prozess noch nicht eingebunden waren. Dadurch haben sich ein paar Fragestellungen neu ergeben, wobei ich „neu“ unter Anführungszeichen setze. Wichtig ist zu beachten, dass nicht alle Gemeinden des Tals im gleichen Ausmaß vom Ausbau des Schienennetzes betroffen sind.

Wie können aktuelle Probleme wie Stau und Verkehrsbelastung gelöst werden? Gibt es konkrete Strategien, diese in den Griff zu bekommen, Herr Breuer?
C. Breuer:
Stau und Verkehrsbelastungen können nur langfristig verändert werden. Entweder durch Infrastrukturinvestitionen oder ein geändertes Mobilitätsverhalten. Zum Glück seltener geworden ist Stau, viel schlimmer ist für die Anrainer die dauernde Belastung. Es braucht neben dem Projekt „Raumentwicklung Montafon“ eine Reihe weiterer Begleitmaßnahmen, wie etwa eine leistungsfähige Mobilitätsachse im Tal.
Jede Gemeinde muss selbst Phantasie entwickeln, wie sie an diese Achse gut andocken kann – etwa mit Bussen, Rad-und Fußwegen sowie Park-and-Ride-Stationen. Auch innerorts muss der Verkehr neu überdacht werden, aber das ist ein Umdenkprozess, der Zeit und viele kleine Schritte hin zu einer neuen Mobilitäts-Kultur braucht.



„Wir müssen heute Entscheidungen treffen für Menschen, die noch gar nicht auf der Welt sind.“

Herbert Bitschnau

Beim Thema Mobilität geht es auch um die Schonung einer der wichtigsten Grundlagen des Tourismus – der Natur. Sanfte Mobilität wird im Tourismus immer wichtiger. Wie sehen Sie das?
C. Breuer:
Dem stimme ich zu. Da wurde in Vorarlberg und natürlich auch im Montafon schon viel geleistet. Aber es gibt noch beträchtlichen Spielraum nach oben, zum Beispiel durchgebundene Züge im Halbstundentakt nach Lindau. Das wird in der Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit und im Zusammenrücken des Montafons mit dem Walgau und dem Rheintal eine ganz neue Dimension schaffen. Die Gäste aus dem Montafon wären dann etwa im Sommer mit der Bahn in einer guten Stunde auf der Festspielbühne in Bregenz und umgekehrt die Gäste aus dem Rheintal im hochalpinen Raum. Touristisch, aber auch für die Einheimischen, ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten.

B. Luger: Bludenz soll nicht mehr als Schnittstelle betrachtet werden. Berufstätige, Schüler, aber auch Gäste nutzen die derzeitigen durchgebundenen Linien schon sehr stark. Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren explodiert. 2003 hatten wir noch 1,2 Millionen Fahrgäste, jetzt sind es über zwei Millionen pro Jahr, das sind im Schnitt mehr als 5.000 Fahrgäste pro Tag.

C. Breuer: Wir sehen den Ausbau der Bahn als Chance für das ganze Tal. Die vorderen Gemeinden sind zwar von den Baumaßnahmen nicht so betroffen, aber es ist auch beispielsweise für einen St. Antoner (i.M.) oder Lorünser sehr interessant, wenn er in einer Viertelstunde mitten im Skigebiet ist. Hier gibt es viel Potenzial für die Außermontafoner Gemeinden.

H. Bitschnau: Es kann aber noch weiter gehen. Wieso soll man die Skigebiete immer von oben her mit Liften verbinden? Man könnte sie doch auch am Talboden verbinden.



„Ein bisschen vom Pioniergeist unserer Vorfahren täte uns heute sicher auch gut.“

Bertram Luger

Mobilität und Raumplanung gehen im Montafon Hand in Hand. In welche Richtung entwickeln sich die beiden?
H. Bitschnau:
Die Zeit ist jetzt reif, dass man neue Themen mit Enthusiasmus angeht. Früher definierten sich junge Leute über Auto und Führerschein, das ist vorbei. Heute haben sie ein ganz anderes Verständnis und andere Gewohnheiten in Bezug auf den Nahverkehr. Und das sind die zukünftigen Nutzer. Wir propagieren, dass das Montafon ein gesunder, attraktiver Lebensraum sein soll. Jetzt können wir einen Beitrag dazu leisten. Schwierig ist dabei, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen. Die Talschaft hat eine beschränkte Fläche zur Verfügung und die unterschiedlichen Anliegen der Förster, Jäger, Bauern, Grundeigentümer, Kaufleute, Sportler, Touristiker und Bürger müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

C. Breuer: Die wichtigste Voraussetzung für eine Realisierung der Bahnverlängerung ist, dass das ganze Tal dahintersteht. Das Land baut nur, wenn die Region das auch will. Dieser Wille muss erkennbar sein.

B. Luger: Eigentlich bestehen gute Chancen für die Umsetzung der Projekte. Wir haben etwa einen Masterplan für den öffentlichen Verkehr, der einstimmig beschlossen wurde und höchste Priorität hat.



„Die nächste Generation ist anders unterwegs. Das dürfen wir nicht verschlafen.“

Christoph Breuer

Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick in die nähere Zukunft werfen: Was wird und was soll sich ändern?  
B. Luger:
In zehn Jahren soll es so sein, dass wir nicht wieder hier im Nostalgiewagen sitzen und uns eingestehen müssen, dass wir uns eine Chance entgehen ließen. Wir unterhalten uns zu diesem Thema seit sechs oder sieben Jahren und haben schon viel Kreativität und Hirnschmalz hineingesteckt. Auf der Hauptachse sollte bis dahin eine leistungsfähige Regionalbahn installiert sein.

H. Bitschnau: Schön wäre es, wenn wir in zehn Jahren beieinandersitzen und schon einen Businessplan inklusive den nächsten Umsetzungsschritten vor uns liegen haben. Zudem möchte ich dann sagen können, dass alle zehn Montafoner Gemeinden hinter dem Projekt gestanden sind.

C. Breuer: Ich glaube, in zehn Jahren sollten wir schon mit der verlängerten Bahn fahren. In fünf Jahren sollte alles durchgebunden sein, Schruns-Lindau halbstündlich.

H. Bitschnau: Das ist jugendliche Ungeduld. Es muss auf jeden Fall gewährleistet sein, dass Schruns einen Bahnhof hat und man weiter ins Tal fahren kann. 

KURZINFO aus dem "Echt Muntafu" Ausgabe 01 / 2016

Die "Raumentwicklung Montafon“ ist ein Programm zur verstärkten Kooperation der zehn Montafoner  Gemeinden mit dem Stand Montafon und dem Land Vorarlberg. Das Leben und Zusammenleben im Montafon soll sich durch diese Zusammenarbeit verbessern. Zwischen den Gemeinden, verschiedenen Gruppen – zum Beispiel Gästen und Einheimischen, Jugendlichen und Familien – und zwischen dem Jetzt und den zukünftigen Generationen. Die Projektpartner arbeiten dabei eng mit dem gemeinnützigen Prozessbegleiter Kairos zusammen.

Beim Schwerpunkt Mobilität wird gemeinsam an langfristigen Lösungen und Alternativen zum bisherigen Verkehrsverhalten gearbeitet. Das oberste Ziel ist es, das Mobilitätsverhalten der Montafoner und der Gäste deutlich in Richtung Zufußgehen, Radfahren sowie Nutzung von Bus und Bahn, weiter zu entwickeln.

 

Raum & Region (Stand Montafon):
www.stand-montafon.at/raum-region

Der öffentliche Verkehr mit Bussen und Montafonerbahn ist ein wichtiger Hoffnungsträger für die Zukunft der Mobilität im Montafon. Beide wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. 

Herbert Bitschnau ist überzeugt, dass insbesondere die jungen Menschen in Bezug auf den Nahverkehr umdenken und die öffentlichen Verkehrsmittel dem Auto vorziehen. 

Optimistisch zeigt sich Christoph Breuer: In fünf Jahren können die Montafoner Pendler im Halbstundentakt nach Lindau und in zehn Jahren mit der verlängerten Montafonerbahn fahren. 

Über 5.000 Fahrgäste nutzen täglich die Montafonerbahn - und täglich kommen neue dazu, erklärt Bertram Luger stolz.