Nachhaltig in die touristische Zukunft
Der Blick nach vorne gerichtet
Wohi gôt's
"Echt Montafon" Ausgabe Sommer 2022
Während jedes Jahr tausende Gäste ins Montafon reisen, ist das Tal zugleich Lebensraum für rund 17.000 Menschen. Als wichtigster Wirtschaftszweig spielt der Tourismus seit Jahrzehnten eine bedeutende Rolle und stellt seine Akteurinnen und Akteure stetig vor neue Herausforderungen und Möglichkeiten.
Im Gespräch mit Judith Grass, Geschäftsführerin von GSL-Tourismus, Chris Eichhorn, Geschäftsführer von cabinski und mit Manuel Bitschnau, Geschäftsführer von Montafon Tourismus.
Das Interview
mit Chris Eichhorn, Judith Grass und Manuel Bitschnau
Über kaum einen Begriff wurde in den letzten Jahren so viel diskutiert wie über „Nachhaltigkeit“. Wie definiert Ihr Nachhaltigkeit für Euch persönlich?
Judith: Nachhaltigkeit bedeutet für mich im Großen und Ganzen die Bewahrung von den Ressourcen, die wir haben und zugleich, dass wir versuchen, die Welt ein wenig besser zu verlassen, wie wir sie vorgefunden haben. Es ist ein übergeordnetes Thema für mich. Wenn man mich fragt, dann sollte sich mittlerweile wirklich jeder mit dem Thema Nachhaltigkeit in allen Aspekten auseinandersetzen, denn: es betrifft uns alle. Wenn man das Thema Nachhaltigkeit verinnerlicht und verstanden hat, dann gibt es keine andere Option, dann lebt und agiert man danach. Es sollte heutzutage für jede und jeden Standard-Denken sein.
Chris: Ich sehe das genauso, denn wir alle sollten eine Verantwortung für das Thema in uns tragen. Ich finde sogar es ist unsere Pflicht, in unserem Tun nicht nur an uns selbst und das Hier und Jetzt zu denken, sondern vor allem auch an die Generation(en) nach uns. Ich selbst habe erst in den vergangenen Jahren angefangen umzudenken, zu reflektieren und zu lernen. Ökologisch gesehen war mir schon vieles bewusst, aber ich war richtig begeistert welche Power die Bereiche der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit haben können.
Manuel: Nachhaltigkeit wird oft nicht ganzheitlich gesehen. Es wird hauptsächlich nur von Umweltschutz gesprochen. Nachhaltigkeit ist ein langfristiges Denken und ganz klar „Wie kann ich die Welt besser hinterlassen, als ich sie vorgefunden habe“. Nachhaltigkeit geht nicht schnell, das muss langfristig gesehen werden. Und man darf sich nicht nur auf den ökologischen Bereich beschränken, sondern auf alle drei Säulen ausweiten, nämlich Ökonomie, Ökologie und Soziales.
Wie lässt sich Tourismus und Nachhaltigkeit verbinden? Wie lässt sich gelebte Nachhaltigkeit tatsächlich umsetzen?
Judith: Wenn man das Thema Nachhaltigkeit auf alle drei Säulen spielt, dann wäre ein Leben ohne Tourismus aus meiner Sicht überhaupt nicht nachhaltig, da wir dann zig-tausende Arbeitsplätze nicht hätten bzw. verlieren würden. Aus ökologischer Sicht hingegen, ist es einer der wichtigsten Punkte, die Ressourcen und die Umwelt weitgehendst zu schonen, denn das, was wir hier im Montafon unseren Gästen anbieten ist unser Lebensraum. Es gibt kein richtig oder falsch, es muss ein Denken im großen Ganzen stattfinden.
Manuel: Tourismus ist eine vielseitige, mannigfaltige Branche. Meiner Meinung nach gibt es nicht den einen Tourismus an sich. Wenn wir alles betrachten, dann hat der Tourismus im Montafon im sozialen und auch im ökonomischen Aspekt Wohlstand entwickelt, den es ohne Tourismus nicht geben würde. Wir müssen darauf achten, dass der Tourismus weiterhin einen Mehrwert für die Einwohnerinnen und Einwohner bringt und dass mit natürlichen Ressourcen enkeltauglich umgegangen wird.
Chris: Es ist ein komplexes Themenfeld, darunter fallen so viele verschiedene Bereiche: Unterbringung, Verpflegung, Mobilität, um nur ein paar davon aufzuzählen. Komplex, aber nicht kompliziert, wie ich finde, denn es bietet uns auch unzählige Möglichkeiten neue Wege einzuschlagen, um Tourismus und Nachhaltigkeit zu verbinden. Um es tatsächlich umzusetzen ist in vielen Bereichen ein Umdenken nötig. Ich möchte aber auch betonen, dass es nicht darum geht immer alles neu zu machen bzw. zu verändern. Es gibt schon geniale Beispiele für gelebte Nachhaltigkeit im Tourismus bei uns in der Region, diese müssen sichtbarer werden, sie brauchen eine Bühne.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Manuel: Man muss als Tourismusdestination so viel Selbstvertrauen haben, dass man keine aufgesetzten Attraktionen und Programme für Gäste erfindet. Man muss die eigenen Stärken kennen, wissen, was man möchte und dann die entsprechenden Gäste dafür ansprechen. In der Bewusstseinsbildung muss geschärft werden, dass Wachstum nicht unendlich sein kann und ein gutes Leben für alle im Vordergrund steht.
Chris: Es braucht Offenheit, Neugier und vor allem Mut zu einigen Veränderungen. Das Thema muss deutlich präsenter werden und dann wird es aus meiner Sicht gar nicht so schwer. Die Möglichkeiten liegen auf der Hand: Wir können hier auf regionale Produkte zurückgreifen, können Energie aus den Elementen erzeugen, sind mit dieser ursprünglichen Natur und unzähligen Sport- & Aktivitätsmöglichkeiten gesegnet und haben bereits eine großartige Wertschöpfung. Ein wichtiger Punkt wird eher sein, wie es in der Praxis nicht aussehen darf. Das Ziel kann in jedem Fall nicht sein, immer größer zu werden und alle paar Jahre massive Neubauten zu errichten. Die Quantität darf nicht die Überhand gewinnen. Anstatt dessen sollten wir lieber an dem arbeiten, was bereits da ist. Gerade weil wir nicht nur Tourismusdestination, sondern auch Lebensraum sind! Nachhaltige, innovative Lösungsansätze sind gefragt – und Durchhaltevermögen.
Judith: Als großes Investment für ein nachhaltiges Wirtschaften sollte auch das Investment in den sozialen Bereich gesehen werden. Anstatt auf Quantität zu setzen ist hier eher ein Umdenken notwendig. Wie können wir mehr Qualität, zum Beispiel im sozialen Bereich, schaffen? Da geht es natürlich Investitionen in Mitarbeiter.
Denkt der Montafoner Gast bereits nachhaltig? Oder wünscht sich das Montafon einen nachhaltigen Gast?
Judith: Der Gast verändert sich. Stand früher nur die Anzahl der Lifte und Pistenkilometer im Vordergrund gibt es nun langsam auch weitere Punkte die für ihn relevant werden. Und das ist gut so!
Chris: Das Umdenken findet bereits statt, ganz sicher. Natürlich braucht das Zeit – es soll sowohl für Gast, als auch für Gastgeber ja nicht aufgesetzt sein. Demnach sollten wir uns nicht die Frage stellen, ob wir uns einen nachhaltigen Gast wünschen, vielmehr müssen wir alles daran setzen uns ganzheitlich danach auszurichten. Es ist eine riesige Chance den Lebensraum Montafon zu erhalten, vielleicht sogar zu verbessern. Sozial, ökologisch, aber vor allem auch ökonomisch. In Zukunft wird es verstärkt um Themen wie sanfter Tourismus, Slow- oder auch Impact Travel gehen und das ist eine tolle Möglichkeit für uns als Destination, aber auch für Gäste, einen Teil zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Chris: Das Umdenken findet bereits statt, ganz sicher. Natürlich braucht das Zeit – es soll sowohl für Gast, als auch für Gastgeber ja nicht aufgesetzt sein. Demnach sollten wir uns nicht die Frage stellen, ob wir uns einen nachhaltigen Gast wünschen, vielmehr müssen wir alles daran setzen uns ganzheitlich danach auszurichten. Es ist eine riesige Chance den Lebensraum Montafon zu erhalten, vielleicht sogar zu verbessern. Sozial, ökologisch, aber vor allem auch ökonomisch. In Zukunft wird es verstärkt um Themen wie sanfter Tourismus, Slow- oder auch Impact Travel gehen und das ist eine tolle Möglichkeit für uns als Destination, aber auch für Gäste, einen Teil zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Manuel: Wir müssen weiterhin den Mut aufbringen zu zeigen, dass wir authentisch und echt sind. Denn damit müssen sich die Einheimischen nicht „verstellen“ und können sich gut damit identifizieren. Dazu brauchst Du natürlich auch Gäste, die diese Philosophie schätzen und leben. Es gibt bereits viele Gruppen, die nach und nach immer nachhaltiger werden, wir sind hier auf dem richtigen Weg und bereits ein Drittel unserer Gäste entspricht laut Tourismusleitbild diesem „Wunschgast“.
Es wird viel mehr Wert auch auf Achtsamkeit, zur Ruhe kommen und unter sich sein gelegt. Wenn wir davon ausgehen, dass wir langfristig gesehen diese Zielgruppen noch stärker ausbauen können, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Das Angebot muss sich mit-entwickeln bzw. anpassen, damit die jüngere und sensibilisiertere Zielgruppe angesprochen wird und sich vor allem hier im Montafon wohl fühlt.
Auf welches Beispiel im Montafon seid Ihr besonders stolz?
Manuel: Ich finde die Umsetzung von GSL-Tourismus wirklich vorbildlich. Als erstes klimaneutrales Skigebiet in Österreich braucht es wahnsinnig viel Engagement, Geduld und Verständnis dafür. Das hat bei Euch schon mit dem Mindset der Firma und auch der Mitarbeiter an sich zu tun. Es gibt aber auch gute Beispiele in anderen Skigebieten, bei Hotels, in den Kommunen und bei sozialen Einrichtungen. Wenn man Nachhaltigkeit ganzheitlich sieht, sind auch die Projekte wie „Arbeitgebermarke Montafon“, „ghörig Feschta“, unser Engagement im Bereich der Naturschutzgebiete, die Arbeitsgruppe „Naturverträglicher Wintersport“, der „Bike-Kodex Montafon“ sowie die Plattform „bewusstmontafon“ herausragende Beispiele. Mit dem weiteren Ausbau der öffentlichen und elektrischen Mobilität, dem in Kürze fertig werdenden Beherbergungsmasterplan Montafon und der immer besser werdenden Kinderbetreuung wurden ebenfalls wichtige Weichen gestellt.
Judith: Wir berechnen sogar den Co2 Ausstoß unserer Speisen im Restaurant umso dem Gast ein Bewusstsein zu geben, was er auch mit kleinen Entscheidungen verändern kann. Wir erfassen die Herkunft all unserer Lebensmittel und können so ganz genau sagen woher wir was beziehen. So kommen über 90 Prozent unserer Milchprodukte aus Vorarlberg und fast 100 Prozent unserer Eier aus Vorarlberg. Diese Themen werden bei uns schon seit Jahrzehnten gelebt. Das hat nichts mit Greenwashing zu tun, sondern mit unserer Philosophie.
Manuel: Und da beginnt die Bewusstseinsbildung und Nachhaltigkeit wird ernst genommen.
Judith, wie habt Ihr dieses Mindset in einem so großen Unternehmen in die Umsetzung gebracht?
Judith: Wir leben diese Thematik schon seit Jahren, das kommt ja nicht von heute auf Morgen. Wir möchten bis 2030 über 60 Prozent von unserem CO2-Fußabdruck von 2018 reduzieren, 30 Prozent haben wir bereits geschafft. Bei uns wird es einfach über alle Ebenen richtig gelebt.
Chris: Ich finde es sehr spannend, aus „alten Strukturen“ etwas Neues, Nachhaltiges zu schaffen und zu überdenken, wie man bis dato gehandelt hat und in Zukunft handeln möchte. Dieses Bewusstsein muss überhaupt erst mal aufkommen und wachsen! Umso spannender finde ich es, dass ein großes Unternehmen wie GSL-Tourismus den Mut hat, diese Schritte zu gehen. Mir war ehrlich gesagt nicht bewusst, in welcher Tiefe dieses Thema bei Euch bereits verankert ist.
Wie wird Nachhaltigkeit im Montafon in Zukunft noch besser umgesetzt?
Manuel: Mit dem neuen österreichweit einzigartigen „Innovation Hub“, dem „PIZ Montafon“, einem eigenen Forschungslabor für ein ganzes Jahr, schaffen wir Bewusstsein für dieses wichtige Thema. Mit diesem Ganzjahresprogramm werden keine Probleme direkt von uns gelöst, sondern es geht um die Schärfung und die Aufmerksamkeit des Themas, genauso aber auch um Unterstützung in der Umsetzung. Die unterschiedlichen Aspekte müssen öffentlich gemacht und es muss aufgezeigt werden, dass alle an einem Strang ziehen müssen: Gastgeber, Gäste, Gemeinden, Entscheidungsträger und viele mehr.
Judith: Dieses Thema ist so umfangreich und voller Möglichkeiten, deshalb wollen wir auch unsere Gastgeber an die Hand nehmen, ihnen in der Umsetzung helfen, ihnen Ideen liefern und zeigen, was alles dabei involviert ist. Es ist wichtig das Bewusstsein zu schaffen, mit Anleitungen, Checklisten, etc. um zu zeigen, dass mehr dahintersteckt als das Bio-Waschmittel oder der Papierstrohhalm.
Manuel: Für uns als Destination ist es enorm wichtig, dass wir keine Anschlüsse verpassen. Wir nehmen das Thema sehr ernst, in allen Facetten und Bereichen des Tals. Ein aufgesetztes Umsetzen dieses Themas funktioniert nicht, das wäre nicht richtig. Nachhaltiges Denken ist ein sehr umfangreicher Prozess, mit dem man sich auf längere Sicht ernsthaft befassen muss, und das machen wir im Montafon schon lange. Was heißt es wirklich, wenn man nachhaltig agiert? Ein Umstellen auf eine BIO-Papierserviette reicht nicht aus. Die Wertschöpfung in der Region muss verstanden werden. Wir müssen bspw. aufzeigen, was wir in der Region alles an fabelhaften Produkten haben und dass ein regionaler Kreislauf allen Beteiligten im Tal auf nachhaltige Art und Weise etwas bringt.
Chris: Es geht nicht darum, von Anfang an alles perfekt zu machen. Wichtig ist, dass man anfängt, sich Schritt für Schritt verbessert und einfach sein Bestes gibt.
Wer nachhaltig handelt, hat in erster Linie verstanden, dass es um das große Ganze und um den Sinn dahinter geht und nicht darum, wirtschaftlich besser dazustehen.
Wie wird das PIZ Montafon in Zukunft umgesetzt?
Manuel: Ich merke immer wieder, dass Menschen gar nicht wissen was hinter dieser ganzen Thematik steckt. Sie sind oft bereit dazu, aber in der Umsetzung überfordert. Und genau darum geht es beim PIZ Montafon: Das Bewusstsein zu schaffen, dass ein Wandel passiert. Wir werden Menschen allen Alters zusammenbringen, Anleitungen geben, Best Practice Beispiele aufzeigen, Experten zur Seite stellen etc. Wir versuchen die zum Teil vorhandene Überforderung abzunehmen und wollen unterstützen wo es geht.
Chris: Mit dem PIZ Montafon möchten wir eine Plattform bieten: Wer motiviert und offen ist, ist herzlich eingeladen, den Weg mit uns gemeinsam zu gehen. Wir legen von Beginn an den Fokus darauf, Unterstützung anzubieten und Empfehlungen zu geben. Wir sind und bleiben aber unverbindlich.
Judith: Wir haben die Chance aufzuzeigen, dass wir als großes Ganzes die Möglichkeit haben, Veränderungen zu machen und etwas zu bewegen. Wir können zeigen, dass jeder Einzelne im Tal etwas dazu beitragen kann. Wir wollen nicht überzeugen, wir wollen inspirieren. Das PIZ Montafon soll Inspirationsquelle sein für die Willigen und Fähigen. Und darauf freuen wir uns bereits riesig.
Innovation Hub
PIZ Montafon
Das PIZ Montafon - Zukunftslabor für nachhaltigen Tourismus - ist ein Projekt der Montafon Tourismus GmbH. Zentrale Ziele sind die Bewusstseinsbildung, sowie die Information zu nachhaltigem Tourismus. Es sollen touristische Betriebe eingebunden werden, um daraus ein Netzwerk aus Expertinnen und Experten und der Next Generation zu bilden. Durch Co-kreatives Entwickeln konkreter Lösungen und Aufzeigen von Erfolgsbeispielen sollen neue Chancen für die Region entstehen. Standort für das PIZ Montafon sind die Räumlichkeiten des alten Bezirksgerichts in Schruns.
Kurator: Chris Eichhorn
Kontakt: piz@montafon.at
Web: piz.montafon.at