Tourismus als attraktiver Arbeitgeber
Round Table Gespräch
Wohi gôt's
"Echt Montafon" Ausgabe Winter 2022/2023
Der Tourismus gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren im Montafon. Rund 1.500 Menschen sind im Montafon in den gewerblichen Tourismusbetrieben beschäftigt, dazu kommen die Mitarbeitenden des privaten Sektors. Das Image der Tourismusbranche als attraktiver Arbeitgeber hat in den letzten Jahren Abschwung erlitten. Woran das liegt, wo sich die Wahrheit findet und was für ein positives Arbeitgeber-Image gemacht wird haben wir im Zuge des Round Table Gesprächs erläutert.
Im Gespräch mit Adrian Bargehr, Schüler und stv. Schulsprecher Tourismusschulen Bludenz, Heike Ladurner-Strolz ÖHV Landesvorsitzende Vizepräsidentin und Gastgeberin, Nicole Okhowat-Lehner, Direktion GASCHT- Gastgeberschule für Tourismusberufe und Manuel Bitschnau, Geschäftsführer Montafon Tourismus GmbH, (v. li. n. re.).
Das Interview
mit Adrian, Heike, Nicole und Manuel
# 1
Was macht den Tourismus zu einem attraktiven Arbeitgeber? Wie unterscheidet sich der Tourismus zu anderen Branchen?
Manuel: Die Tourismusbranche ist seit längerem als Arbeitgeber in Verruf. Das war zu einem Teil selbstgemacht, hat sich in den letzten Jahren aber gravierend verändert. Inzwischen passen bei den meisten Betrieben die Arbeitszeitmodelle, die Entlohnung, die Planbarkeit oder die Unterkunftssituation. Es gibt noch einiges zu tun, aber die Tourismusbranche eröffnet Vorteile, die andere Branchen nicht bieten können. Wir können im Tourismus viele unterschiedliche Ausbildungen bieten und dementsprechend natürlich auch eine große Vielfalt an Berufen, die im Anschluss ausgeübt werden können oder eine Veränderung ermöglichen. Man hat die Möglichkeit international zu agieren, sich weiter zu entwickeln, Fremdsprachen zu integrieren und so weiter. Es gibt jede Menge Benefits wie beispielsweise Mitarbeiterunterkünfte, Verpflegung, die Nutzung der Starcard und vieles mehr. Menschen, die gerne mit Menschen zu tun haben, finden hier ihre Erfüllung, wenn sie die direkte Rückmeldung eines zufriedenen Gastes bekommen. Das Wichtige ist, dass man mit Leidenschaft dabei ist. Ohne der geht es bestimmt nicht.
Adrian: Genau, das ist es auch was es für mich ausmacht: die Leidenschaft. In all meinen Praktika habe ich das bis jetzt gemerkt, dass das meine Erfüllung ist. Für mich ist es wunderschön, speziell nach der Corona-Pandemie, die Menschen wieder glücklich zu sehen, wie sie an der Bar tanzen und eine schöne Zeit haben. Das ist es, was mich happy macht in meinem Job.
# 2
Und wo sind die Nachteile des Arbeitens im Tourismus?
Manuel: Das Gras ist auf der anderen Seite immer grüner, hat man den Eindruck. Jede Branche hat Vor- und Nachteile. Wenn ich im Tourismus arbeite, muss ich gerne mit Menschen und Dienstleistung zu tun haben. Die Arbeitszeiten sind sicherlich der größte Hemmschuh, wobei es viele Branchen mit ähnlichen Arbeitstagen gibt und die Betriebe inzwischen sehr flexibel geworden sind. Allerdings ist klar, dass gerade in der Gastronomie und der Hotellerie der Gast auch am Abend oder am Wochenende eine Dienstleistung benötigt.
# 3
Fachkräftemangel und Mitarbeiterengpässe gibt es in allen Branchen. Natürlich auch im Tourismus. Woher kommt das?
Heike: Ich gebe hier zum Teil dem Image der Branche die Schuld: schlechter Zahltag und viele Überstunden. Aber wenn wir uns diese Punkte genauer anschauen, dann sieht man, dass es mittlerweile nicht mehr so ist. Wir haben moderate Zahltage mit Verpflegung, Unterkunft und Benefits, die es sonst so in vielen Branchen nicht gibt. Tourismus gilt als schlechte Branche aufgrund der Arbeitszeiten, es heißt, es werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgenutzt etc. Vor allem bei den Einheimischen muss klargestellt werden, dass das nicht so ist.
Manuel: Prinzipiell ist wichtig zu wissen, dass der Tourismus in den letzten 20 Jahren um etwa 20 Prozent gewachsen ist. Das heißt, wir haben aktuell mehr Menschen in Beschäftigung als vor 20 Jahren. Es gibt zu dem auch weniger Nachwuchs und andere Branchen sind ebenfalls deutlich gewachsen und haben mehr Leute in Beschäftigung. Die Menschen wollen außerdem oft weniger Stunden arbeiten, was wiederum zu einem höheren Mitarbeiterbedarf führt.
Nicole: Ich finde, das Image hat sich in den letzten Jahren bereits deutlich verbessert. Ich merke es auch daran, dass die Gespräche mit den Eltern anders verlaufen als noch vor zehn Jahren. Das Arbeitgeber- und Ausbildner-Image im Tourismus hinkt der Realität noch immer hinterher, aber mit vielen Maßnahmen und der entsprechenden Kommunikation sind die Betriebe und sonstigen Akteure auf dem richtigen Weg, das Image positiv zu bearbeiten.
Heike: Natürlich gibt es schwarze Schafe, wie überall. Aber ich weiß, dass es ganz viele weiße Schafe gibt, die in den Vordergrund gestellt werden müssen. Und der Rest zieht nach. Dieser Wandel braucht Zeit, aber der Weg ist der Richtige. Die Maßnahmen, die wir aktuell setzen, um den Tourismus als Arbeitgeber noch attraktiver zu machen, sind die richtigen – nur das Image hängt noch etwas nach.
Nicole: Der Verein „Mensch im Tourismus“ hat sich unter anderem aus diesem Grund gegründet und inzwischen auch zu einem Qualitätsnetzwerk entwickelt. Es wurden bereits zu Anbeginn Qualitätskriterien für eine Vereinsmitgliedschaft festgelegt, wie z.B. die Mitarbeiterbefragungen. Es werden z.B. einmal im Jahr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ca. 80 Tourismusbetrieben im Land befragt um auf diesem Weg herauszufinden, wo Entwicklungspotenziale bestehen, was verbessert werden kann und was bereits gut läuft. Genau mit solchen Maßnahmen sind wir sicher, dass wir viele schwarze Schafe zu weißen Schafen machen können, und die Tourismusbranche so immer attraktiver wird.
# 4
Nicole, kannst Du uns kurz über den Verein „Mensch im Tourismus“ aufklären?
Nicole: Der Verein hat sich ursprünglich als Partner für die betriebliche Ausbildung in der GASCHT – Gastgeberschule für Tourismusberufe gegründet. Was war mir immer wichtig darauf zu achten, dass nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer einen guten Job machen, sondern, dass auch die Betriebe eine Qualität im Zuge der Ausbildung bieten müssen. Es gab dann den Anfang mit ca. zwölf bis fünfzehn Betrieben, die als sogenannte ausgezeichnete Lehrbetriebe zertifiziert waren. Mit der Zeit kamen immer mehr Betriebe dazu, die sich an der GASCHT Ausbildung beteiligen wollten und ebenfalls überzeugt waren, dass Qualität in der Ausbildung, aber auch die Qualität des Arbeitsplatzes objektiv nachweisbar sein müssen und daher gemeinsam festgelegte Qualitätskriterien wichtig sind. Das war ein wirklich spannender Prozess. Mittlerweile ist das Vereinsnetzwerk „Mensch im Tourismus“ ein Instrument für alle, die Interesse haben mit Qualitätsbetrieben zu arbeiten. Nicht nur die GASCHT, sondern auch andere Schulen und Institutionen empfehlen die Betriebe diesem Qualitätsnetzwerk und arbeiten mit diesen zusammen. Durch das Controlling der Qualitätskriterien besteht Sicherheit über die Qualität der Ausbildung und des Arbeitsplatzes. Aktuell besteht das Netzwerk aus 80 Betrieben – und es werden immer mehr!
# 5
Mittlerweile wird die Flexibilität im Job immer wichtiger. Kann der Tourismus als Arbeitgeber Flexibilität anbieten?
Heike: Ok, Home-Office ist bei einem Koch ein bisschen schwierig, das stimmt. Aber Arbeiten im Tourismus ist natürlich viel mehr, als Küche oder Service. Es gibt wesentlich mehr Stellen im Tourismus. Unsere Rezeptions-Mitarbeiterin zum Beispiel, erledigt für uns im Home-Office auch unsere Social-Media-Arbeit, für das muss sie nicht im Betrieb sein. Die Flexibilität ist also völlig möglich. Stundenmodule von vier bis 48 Stunden bieten doch einige Möglichkeiten. Was ich eher als Problem sehe, ist der Zwei-Saisons-Betrieb. Aber da ist man auch dabei, für eine Änderung zu kämpfen, um für das ganze Jahr eine Flexibilität bieten zu können, aber gleichzeitig durch die Ganzjahresstellen eine Bindung zum Betrieb aufbauen zu können.
Manuel: Flexibilität wird immer wichtiger. Die kann ein Betrieb aber auch nur anbieten, wenn der Gast (sprich die Kundin oder Kunde) etwas flexibler ist. Manchmal fehlt die Wertschätzung gegenüber den Tourismusmitarbeitenden. Sie erbringen hervorragende Dienstleistungen und werden oft als selbstverständlich wahrgenommen. Wie selten hört man ein „Bitte“ oder „Danke“ oder ein kurzes Gespräch mit einem Tourismusmitarbeitenden. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass jemand bis spät nachts oder an einem Sonntag für einen arbeitet, kocht, reinigt oder ein gutes Essen serviert. Das muss wieder mehr wertgeschätzt werden, dann können unsere Fachkräfte auch mehr Freude am Beruf haben und tolle Gastgeberinnen und Gastgeber sein.
Heike: Wir sind natürlich auch selber dafür verantwortlich, dass wir unseren Mitarbeitenden Verlässlichkeit bieten können. Wenn im Dienstplan steht, dass um 22:00 Uhr Dienstschluss ist, dann ist es auch so. Wir müssen auch von unseren Gästen ein gewisses Verständnis und eine Art Disziplin erwarten können, da sie ja auch Qualität von uns und unserem Haus erwarten. Hier braucht es auch noch ein bisschen Arbeit, dass man sich auf Augenhöhe begegnet – aber es hat sich sehr viel verändert in den letzten Jahren und wir befinden uns hier tatsächlich in einem Wandel.
# 6
Tourismusmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in Ausbildung: Was sind die wichtigen Punkte, damit sich die Bewerberinnen und Bewerber auch tatsächlich für einen Betrieb entscheiden?
Adrian: Für mich persönlich zählt der Ruf des Betriebs zu den wichtigen Punkten. Es sollte eine Bewertung zwischen Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterführung sowie Positionierung der Marke bzw. des Betriebes selber sein. Was für uns in Österreich selbstverständlich ist, wie bspw. eine Mitarbeiterunterkunft, ist in unseren Nachbarsländer alles andere als selbstverständlich – und das wissen viele nicht.
Heike: Ich denke auch, dass wir den Arbeitsmarkt unserer Nachbarländer mehr unter Beobachtung halten sollten. Wir gehen zum Beispiel immer verstärkt in den östlichen Ländern auf die Suche nach Mitarbeitenden, dass es aber auch viele Interessentinnen und Interessenten auch aus Deutschland beispielsweise gäbe, die gerne bei uns arbeiten würden, das vergessen wir ab und zu vielleicht.
Nicole: Wir müssen zum Teil viel Aufklärungsarbeit leisten, da viele unserer Schülerinnen und Schüler sich schnell von der Höhe des Einkommens beeinflussen lassen. Wenn zum Beispiel jemand hört, dass man in der Schweiz mehr verdient, dann wollen viele diese Chance für ein Praktikum in der Schweiz nutzen. Das kann man ja sogar verstehen. An die zusätzlichen Kosten für Unterkunft, Logis, Steuern und Versicherungen denken sie dabei aber nicht. Hier sind wir ganz stark in der Aufklärung.
Adrian: Ich habe bis jetzt von einem Praktikum noch nie viel an Gehalt mitgenommen, für mich war die Erfahrung bis jetzt immer wichtiger als das Geld. Die Qualität der Ausbildung steht für mich ganz klar im Vordergrund und das erwarte ich mir auch von dem Betrieb, in dem ich die Ausbildung mache.
# 7
Haben sich die Ansprüche an Mitarbeitende geändert? Oder umgekehrt – haben sich die Ansprüche an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber geändert?
Heike: Auch wir müssen natürlich mit der Zeit gehen. Die Generationen haben sich geändert. Aber wir haben gute Möglichkeiten, damit umzugehen und reagieren auf die Zukunft.
Manuel: Ich bin davon überzeugt, dass wir die Betriebe, die die diskutierten Punkte richtig machen, in den Vordergrund stellen müssen. Wir haben so viele tolle Beispiele an Betrieben, die die Anforderungen der Mitarbeitenden super erfüllen. Und auch die Betriebe, bei denen diese Botschaften noch nicht ganz angekommen sind, werden in den nächsten Jahren mitziehen. Und das kommt ganz bestimmt der gesamten Branche zugute.
Nicole: Ich finde die Frage sehr spannend. Ich spüre das bei meinen Schülerinnen und Schülern: Sie wollen einen Job, in dem sie sich entwickeln können. Sie wollen Anreize und Perspektiven, möchten ins Ausland oder Ähnliches. Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten und Abwechslung stehen weit oben bei der Auswahl der Arbeitsstellen.
# 8
Bietet der Tourismus auch die Möglichkeit bzw. genügend Flexibilität, sich abseits vom Job zu entfalten?
Nicole: Ich habe vor kurzem einen spannenden Vortrag des Soziologen Thimon de Jong gehört, in dem es darum ging, dass junge Menschen definitiv nicht mehr 100 Prozent in einem Job arbeiten möchten. Es wird sich so entwickeln, dass die jungen Menschen Zeit für verschiedene Aspekte in ihrem Leben haben wollen und das auch ganz klar in den Fokus setzen. Gemeint ist damit aber nicht Netflix und Couch, sondern Zeit für Tätigkeiten in Vereinen, Sport, weitere Jobs und eventuell Selbstständigkeiten neben einem Teilzeitjob. Ist das bei Dir auch so, Adrian?
Adrian: Bei mir ist das aktuell genau das Gleiche. Ich bin nebenbei noch bei einer Schülerorganisation im Projektmanagement und einmal in der Woche zusätzlich noch im Service tätig. Und das ist für mich ein Ausgleich zum Schulalltag.
Heike: Hier sind wir wieder bei der bekannten Work-Life-Balance. Die Vier-Tage-Woche beispielsweise wird immer relevanter, um anderen Interessen, abgesehen vom Job, nachzugehen. Nebenbei zu studieren oder Ausbildungen zu machen, in einem Sportverein, bei der Feuerwehr oder Rettung zu sein oder einen zusätzlichen Job auszuüben. Da müssen wir als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ebenfalls mitziehen.
# 9
Noch einmal kurz zusammengefasst: Warum ist das Arbeiten im Tourismus so besonders?
Manuel: Für mich ist es auch wichtig, dass der Nachwuchs bewusst wahrnimmt, dass Tourismus viel mehr als Küche, Rezeption und Service ist. Wenn ich dort vielleicht nicht mehr meine Erfüllung finde, bietet unsere Branche so viele Veränderungsmöglichkeiten. Vom Gästeservice in einer Tourismusinformation, über Marketingstellen und Produktentwicklung bis hin zu Eventmanagement. Und wenn das noch nicht reicht, dann kann ich immer noch zum Beispiel Seilbahntechnikerin oder -techniker oder Wanderführerin oder Bergführer werden. Gerade auch in Zeiten von hohen Energiepreisen, ist ein Blick auf die Arbeitsstellen nahe zum Wohnort vielleicht lohnenswert.
Nicole: Absolventinnen und Absolventen aus den Tourismusschulen haben eine starke Präsenz, wenn sie irgendwo auftreten. Es sind junge Menschen, die mit anderen Menschen auf Augenhöhe kommunizieren können und auch mit Menschen umzugehen wissen. Persönlichkeitsbildung aber auch Knigge und kulturelle Diversität nehmen in meiner GASCHT einen wichtigen Part ein.
Manuel: Die Ausbildung im Tourismus gibt einem so viel für das Leben mit. Man lernt, wie man mit Menschen umgeht, kommuniziert, wie man auftritt, sich selber präsentiert etc. Das fehlt in vielen anderen Ausbildungen und daher greifen andere Branchen auch gerne auf ausgebildete Tourismusmitarbeitende zurück, da die Voraussetzungen einfach andere sind. Das hilft einem für das ganze Leben, das sind essentielle Dinge für die gesamte berufliche und private Laufbahn.
Nicole: Tourismus ist „mehr“ und ich bin mir sicher, dass dies auch wieder zu einem besseren Ausbildungsimage auf längere Sicht beiträgt. Die potentiellen Schülerinnen und Schüler und deren Eltern müssen wissen, welche Möglichkeiten eine Ausbildung im Tourismus tatsächlich bietet. Das geht weit über die handwerklichen Fachkompetenzen hinaus.
Heike: Wir haben täglich mit Menschen zu tun, die die schönste Zeit des Jahres bei uns verbringen. Hier Gastfreundschaft zu leben und auch das direkte Lob und die Anerkennung zu bekommen, ist einfach eine Herzenssache. Der Ausbildungsweg bzw. die Einstellung dazu haben sich meiner Meinung auch geändert. Es gibt mittlerweile auch viele Maturantinnen und Maturanten, die nach der schulischen Ausbildung zu uns kommen und noch mehr wollen. Das hat sich im Vergleich zu früher verändert. Da war vielen Eltern eine Lehre in einem Tourismusbetrieb oft nicht genug, da war die Matura Voraussetzung und darunter nichts.