Schutz der Kultur

Tradition & Tourismus

Wohi gôt's

"Echt Muntafu" Ausgabe 03 / 2016

Das Montafon hat unzählige Rituale und Bräuche vorzuweisen, die das Tal einzigartig machen. Doch wie können diese geschützt und bewahrt werden? Und wie können sie auf eine zeitgemäße Art für Einheimische und Gäste zugänglich gemacht werden?

Ulrike Bitschnau, Obfrau und Geschäftsführerin des Vorarlberger Trachtenverbandes, Friedrich Juen, Mitarbeiter der Bergbahnen Gargellen und Ausschussmitglied im Heimatmuseum mit Themenschwerpunkt Kulturlandschaft, sowie Markus Felbermayer, Hotelier und organisatorischer Leiter des Montafoner Sommers (Montafoner Ressonanzen), haben die Montafoner Kultur und Tradition im Blut. Im Gespräch heben sie deren Bedeutung hervor und trumpfen mit zahlreichen Beispielen auf, wie das kulturelle Erbe und der Tourismus sich gegenseitig befruchten können. 

Das Interview

mit Markus Felbermayer, Ulrike Bitschnau und Friedrich Juen

Welche Bedeutung hat der Tourismus als Förderer der Tradition?
U. Bitschnau:
Der Tourismus nutzt die Tradition und fördert sie damit in gewissem Sinne. In Orten mit Trachtenvereinen gibt es beispielsweise nachweislich mehr Trachtenträger. Im Gegenzug machen Trachtenträger auch viel Werbung für den Tourismus. Wir haben so aufwendige schöne Trachten, dass wir auffallen. Vor drei Jahren wurden wir nach Spanien eingeladen. Gleich bei der Ankunft haben wir gesagt, dass wir in der Region leben, wo die spanische Nationalmannschaft trainiert und daraufhin zwei Mal bei einem großen Bewerb gewonnen hat. Wir haben in dieser Woche wie die Könige gelebt. Das hat einen Werbeeffekt.

F. Juen: Ein anderes Beispiel ist das Montafoner Steinschaf, das auch unter Tradition fällt und vom Tourismus im Moment stark beworben wird. Die verantwortlichen Bauern haben diesen mit ins Boot geholt und profitieren jetzt von der zusätzlichen Aufmerksamkeit.  

M. Felbermayer: Ich sehe es als ein gegenseitiges Befruchten. Besonders in den vergangenen Jahren hat im Tourismus ein Umdenken in Richtung Ursprung stattgefunden. Initiativen wie der Verein „bewusstmontafon“, der die Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Gastronomie und Handel im Tal fördert, haben mit den Boden bereitet. Jetzt beginnen die Aktionen langsam zu greifen. Ein Beispiel ist Sura Kees, früher wurde dieses Montafoner Produkt versteckt – in der Zwischenzeit gibt es zu wenig davon. Oder die Montafoner Museen, die seit vielen Jahren das Bewusstsein für die Bedeutung von Tradition  wecken. Es gibt viele Initiativen, die in diese Richtung gehen. 



„Das Authentische ist echt. Wir sollten uns so geben, wie wir sind und zeigen, was wir haben.“

Friedrich Juen

Wie können Tourismus und Tradition so miteinander verbunden werden, dass es zeitgemäß ist und nicht kitschig wird?
U. Bitschnau:
Wir müssen nicht immer aufwendige Aktionen setzen. Es reicht, wenn wir uns so geben, wie wir sind. Die Trachtenvereine, die sich auf ihre eigene Tradition fokussieren, heben sich ab und werden für Veranstaltungen gebucht. Wir müssen uns für unsere Kultur nicht schämen. Ganz im Gegenteil.  

F. Juen: Für mich zeigt der Innovationspreis, mit dem Vorarlberg Tourismus heuer die Theaterwanderung „Auf der Flucht“ ausgezeichnet hat, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Hier verkaufen wir etwas Authentisches auf eine ergreifende Art und Weise. Ich halte etwa die Moderation während der Theaterwanderung auf Montafonerisch und dabei möchte ich bleiben, auch wenn ich oft gebeten werde, zu übersetzen. Meiner Meinung nach muss nicht jedes Wort verstanden werden, um den Sinn zu erfassen. Der Dialekt ist ein schönes Stück Kultur.

M.Felbermayer: Wir haben beim Montafoner Sommer besonders authentische Verantstaltungsorte ausgesucht und sie damit in den Vordergrund gerückt, zum Beispiel die alte Pfarrkirche Vandans und das Kloster Gauenstein. Selbst Vorarlberger kennen viele dieser Plätze nicht und erleben die Veranstaltungen als einzigartig. 



„Wir sollten Tradition nicht nur für den Tourismus leben, sondern für uns selbst.“

Ulrike Bitschnau

Wie schafft man es, die Jugend miteinzubeziehen und für Tradition zu begeistern?  
F. Juen:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Junge Interesse haben. Ein Beispiel ist mein „Schragazü“-Kurs, bei dem Interessierte das Handwerk des Zäunebauens nach Montafoner Tradition, lernen. Vor allem bei Jugendlichen ist er heiß begehrt. Ein anderes Beispiel für die Vermittlung von Bräuchen ist die Funkenzunft. Gemeinsam mit Kindergartenkindern haben sie etwa Fackeln für den nächsten Funken gebastelt. Eine super Idee, die große Begeisterung geweckt hat.

M. Felbermayer: Vielleicht hängt das neu geweckte Interesse der Jugendlichen mit der digitalen Welt zusammen, zu der junge Menschen einen  besseren Zugang haben. Sie sehen, was es alles gibt und besinnen sich zurück auf das, was sie haben. Früher hat man vieles nicht erfahren und wertvolles Wissen ist verloren gegangen. Heute kann jeder online nachlesen, was die Heimatregion zu bieten hat und dabei hoffentlich erkennen, dass Zahlreiches erhalten werden muss.  

U. Bitschnau: Ich denke, wir sollten die Jugendlichen spielerisch für Tradition begeistern und nicht päpstlicher sein als der Papst. Es kommt auf uns an, wie wir Tradition vermitteln. Für den Trachtenverband ist die Musikschule als Nachwuchsschmiede essenziell. Wir haben das große Glück, dass wir im Montafon eine Musikschule haben, in der Volksmusikinstrumente wie Hackbrett, Zither und Harfe noch unterrichtet werden.

M. Felbermayer: Auch in der Kooperation mit dem Montafoner Sommer ist die Musikschule wichtig. Durch solche Institutionen haben auch die Veranstaltungen, die wir schaffen, einen anderen Stellenwert und machen sie jungen Menschen zugänglich. Ansonsten würde dieser Teil der Kultur an ihnen vorbeigehen.

U. Bitschnau: Stimmt, wir gehen regelmäßig mit den Kindern in Konzerte und zu kulturellen Veranstaltungen. Wenn man sie von klein an mitnimmt und es ihnen vorlebt, kann man sie für Kultur begeistern. Wenn eine Mama immer sagt, die Tracht ist ein Schmarren, dann wird sie ein Kind kaum anziehen. Wenn eine Mama stolz Tracht trägt, dann schon eher. 

Wir müssen also nicht nur die Jugend, sondern alle Einheimischen abholen?
M. Felbermayer:
Genau. Beim Montafoner Sommer steht beispielsweise der kulturinteressierte Einheimische im Fokus und erst dann der Urlauber. Deshalb auch die terminliche Neupositionierung. Heuer finden die Konzerte im August und September über einen längeren Zeitraum und zu gewissen Themen statt.  

F. Juen: Auch bei den Heimatabenden  sollte das oberste Ziel sein, dass mehr Einheimische kommen und deren Bewusstsein gestärkt wird. Ich gehe selbst oft hin und überzeuge auch Freunde und Bekannte. Wenn ich dem Gast erklären soll, was beim Heimatabend oder bei einem Konzert abläuft, sollte ich es selber auch gesehen haben. Nur dann kann ich es ehrlich weiterempfehlen.  

M. Felbermayer: Stimmt. Wenn ich das Angebot persönlich vermittelt bekomme, hat es einen anderen Stellenwert, als wenn ich es nur in einem Prospekt lese.  

U. Bitschnau: Es ist auch toll, wenn die Gäste ein Kultur-Angebot vorfinden. Ich bin eine kleine Vermieterin, aber es ist schön, wenn ich den Gästen persönliche Tipps geben kann. Dabei sollten wir darauf achten, dass die Gäste das ganze Tal entdecken und nicht nur einen Ort. Das Persönliche kommt bei den Gästen gut an. Sie freuen sich auch, wenn man nachfragt, wie es ihnen gefallen hat. 
  

 



„Tradition wird gerade von den Einheimischen neu entdeckt und zum Glück von den Gästen wertgeschätzt.“

Markus Felbermayer

Im Tourismus arbeiten viele Nicht-Montafoner. Wie vermittle ich ihnen die heimische Kultur und Tradition, damit sie diese an die Gäste weitergeben?  
M. Felbermayer:
Das ist eine der schwierigsten Aufgaben. Eine tolle Initiative ist beispielsweise die Käseschulung von „bewusstmontafon“, zu der unsere Küchen- und Servicemitarbeiter gehen. Ich denke, Kulturbewusstsein kann nur in vielen kleinen Schritten vermittelt werden. 

Wie wollt ihr drei die Tradition in Zukunft hochhalten?
F. Juen:
Ich habe viele Projekte im Kopf, sollte mich aber zeitlich ein bisschen einschränken. Was ich auf jeden Fall fortführen werde, sind die Kurse für „Schragazü“ und Trockenmauern. Zudem stellen wir künftig mit den Montafoner Museen über das ganze Jahr verteilt jeden Monat ein anderes Handwerk vor.  

M. Felbermayer: Wir wollen im Rahmen des Montafoner Sommers (Montafoner Ressonanzen) die Volksmusiktage auf neue Beine stellen und auch Vorarlberger Künstler mehr integrieren.

U. Bitschnau: Wir planen weitere Seminare in Volkstanz, Volksmusik und Trachtenpflege. Auf der Herbstmesse in Dornbirn sind wir erstmalig mit traditionellen Montafoner Kunsthandwerkern vertreten. Im Rahmen dieser Messe veranstalten wir auch das  große Vorarlberger Kindertrachtenfest, bei dem wir 200 Kinder aus ganz Vorarlberg erwarten. Eine meiner Lieblingsveranstaltungen. 
 

KURZINFO aus dem "Echt Muntafu" Ausgabe 03 / 2016

Über Generationen weitergegebene Traditionen werden als „Immaterielles Kulturerbe“ bezeichnet. Dazu gehören darstellende Künste wie Theater, Tanz, Musik, mündlich überlieferte Erzählungen wie Sagen, traditionelle Handwerkstechniken, gesellschaftliche Praktiken, Rituale, Feste und Wissen. Diese Traditionen prägen das Erscheinungsbild eines Ortes, einer Region und eines Landes.

Österreich setzt sich stark für die Erhaltung, Vermittlung und Förderung des Immateriellen Kulturerbes ein. Unter anderem gibt es das Österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes, welches etwa das Erzählen im Montafon, den Funkensonntag und das Scheibenschlagen anführt. 

Marke "Montafon"

Richtungsweiser

Von der Destination zur Marke – um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, hat Montafon Tourismus gemeinsam mit den touristischen Akteuren einen Markenprozess in Gang gesetzt, der nun den Weg in die touristische Zukunft des Tals weist. 

Was ist der Kern der Marke „Montafon“? Diese zentrale Frage stellt sich Montafon Tourismus seit dem Zusammenschluss der Tourismusorganisationen im Tal. Um sie zu beantworten, haben sich die Verantwortlichen Unterstützung von außen geholt. Und zwar vom renommierten Unternehmen BrandTrust unter der Leitung von Christoph Engl. Es ist spezialisiert auf die Entwicklung und Umsetzung von regionalen und globalen Markenstrategien im deutschsprachigen Raum. 

„Um den Markenkern des Montafon wirklich fundiert zu erfassen und eine Gesamtstrategie für das ganze Tal zu generieren, haben wir in einem ersten Schritt die zentralen Tourismus-Partner im Tal mit ins Boot geholt. Denn alle müssen hinter der neuen Marke ‚Montafon‘ stehen, damit wir sie gemeinsam als kraftvolle Einheit nach außen tragen können“, betont Manuel Bitschnau, Geschäftsführer von Montafon Tourismus. Zu dieser Arbeitsgruppe zählen alle Bürgermeister der Tourismusgemeinden, die Geschäftsführer der Bergbahnen, die gewählten Vertreter der Gastgeber (Marketingbeirat) sowie Vertreter des Standes Montafon und von Vorarlberg Tourismus. 

Das Ziel war von Beginn an ein ambitioniertes. Es galt, das touristische Angebot zu schärfen, sich dabei auf die Kernprodukte und die Kernzielgruppe zu fokussieren sowie die Rolle aller touristischen Akteure klar zu definieren. Die finale Markenidentität soll für eine größtmögliche Wiedererkennbarkeit und Eigenständigkeit des Tals auch gegenüber anderen Destinationen sorgen und es damit noch attraktiver für die Gäste machen. 



„Das Montafon sollte sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden geben.“

Christoph Engl - Managing Director von BrandTrust

Von Jahresbeginn bis Mitte Mai fanden fünf ganztägige Workshops statt, in denen intensiv dem Kern der Marke „Montafon“ auf den Grund gegangen wurde.
Drei zentrale Fragen standen dabei im Mittelpunkt: Erstens, was ist unser bestehendes Marken-Kapital? Zweitens, in welche Richtung wollen wir uns entwickeln? Und drittens, mit welchen Instrumenten wollen wir diese Entwicklung steuern? 

In den Workshops haben die Teilnehmer als wesentlich erkannt, dass das Montafon kein Tal im eigentlichen Sinne, sondern ein soziales Gefüge ist. Das heißt, es lebt zwar von seinen Bergen, die eine zentrale Rolle spielen, aber noch mehr von den Menschen, die sich die Berge zu Nutze gemacht haben. Dahinter steckte viel Pioniergeist, der später jedoch eingebremst wurde, als andere Destinationen größere Bedeutung erlangten. 

Die Berge stehen also im Mittelpunkt. Gleichzeitig ist der Tourismus im Montafon mit einem hohen Anteil an Ferienwohnungen und Gästebetten sehr klein strukturiert. Das wiederum fördert den persönlichen Kontakt zwischen Gastgebern und Gästen. Diese beiden – die Bedeutung der Berge und die persönlichen Beziehungen – sollen nun miteinander verbunden und für die Gäste in Form von Bergerlebnissen unkompliziert und einfach erlebbar gemacht werden. Daher lautet die zentrale Positionierung: „Das Montafon: Die persönlich erfahrbarste Berg- und Lebenswelt der Alpen“



„Wir werden alle mit viel Elan und Entschlossenheit die Marke 'Montafon' prägen.“

Manuel Bitschnau - Geschäftsführer von Montafon Tourismus

Nachdem die Workshops abgeschlossen sind, beginnt nun die eigentliche Arbeit. Denn jetzt geht es an die Umsetzung, konkret daran, Instrumente zu entwickeln, mit denen die Positionierung in Form von Maßnahmen zum Leben erweckt wird. Hierfür ist es notwendig, bestehende Strukturen und Produkte zu analysieren, zu  adaptieren und mitunter wegzulassen. „Ich vergleiche den Prozess von einer Destination zu einer Marke gerne mit einem Dampfschiff : Es braucht im Gegensatz zu einem Schnellboot viel Energie und Kraft, bis es Fahrt aufnimmt. Sobald es dann aber losgestartet ist, lässt es sich schwer stoppen“, erläutert Christoph Engl von BrandTrust. 

Das heißt, in den nächsten zehn Jahren – so viel Zeit wird für einen solchen Prozess ungefähr benötigt – müssen alle konsequent die erarbeitete Strategie verfolgen.
Der Erfolg der Marke wird daran gemessen, wie gut sie mit konkreten Maßnahmen umgesetzt wird. Hier ist nicht nur Montafon Tourismus gefordert, sondern auch alle Entscheidungsträger im Tal. Der erfahrene Markenstratege Christoph Engl zeigt sich optimistisch und resümiert: „Wenn ich mir ansehe, mit welcher Entschlossenheit alle in den Strategieprozess gestartet sind, dann bin ich zuversichtlich, dass das Montafon es schafft. Eines sollte jedoch klar sein: Das Ziel ist ein sehr ambitioniertes, 
das viel Mut und Durchsetzungsvermögen erfordert.“ BrandTrust wird das Montafon voraussichtlich noch ein Jahr begleiten und dafür Sorge tragen, dass die strategische Arbeit Früchte trägt. 

KURZINFO aus dem "Echt Muntafu" Ausgabe 03 / 2016

1.  Mein-Montafon-Prinzip: Das Montafon setzt auf individuelle Angebote, die an Personen gekoppelt sind. Sie zeigen ihr Montafon und das schafft Nähe. Persönliche Beziehungen spielen eine sehr große Rolle.

2.  Verzahnungs-Prinzip: Die Berge sind Teil der Lebenswelt und das Leben ist Teil der Bergwelt. Diese starke Verzahnung der beiden Welten spürt der Gast und lebt sie mit.

3.  Erfahrbarkeits-Prinzip: Bergerlebnisse im Montafon sind für jeden so einfach und unkompliziert erfahrbar wie sonst nirgends in den Alpen. Die Montafoner stellen sicher, dass sämtliche Zugangsbarrieren abgebaut bzw. auf ein Minimum reduziert werden. 
 

Die fünf Kernwerte sind die DNA der Marke "Montafon"

  • geschichtsträchtig
  • pionierhaft
  • bäuerlich
  • tüchtig
  • eigenwillig