Der ideale Gast
Zielgruppe im Fokus
Wohi gôt's
"Echt Muntafu" Ausgabe 04 / 2015
Hinter dem zugegeben etwas sperrigen Begriff „Etablierte Postmaterielle“ verbergen sich jene Menschen, die im Urlaub genau das suchen, was das Montafon zu bieten hat: das echte, regionale Naturerlebnis, Handwerkskunst und Sport in der Natur. Mit vereinten Kräften möchte Montafon Tourismus sich künftig auf diese Gästezielgruppe konzentrieren.
„Echt Muntafu“ hat mit jenen gesprochen, die sich dafür engagieren, Gäste aus dieser Zielgruppe für Vorarlberg und das Montafon zu begeistern, sie hierher zu holen und zum Wiederkommen zu „verführen “: Brigitte Plemel, Leiterin der Marktforschung bei Vorarlberg Tourismus, Florian Bauhuber, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Tourismuszukunft, sowie Andrea Schwärzler vom Hotel Mateera in Gargellen und Jürgen Zudrell vom Panoramagasthof Kristberg, die sich beide im Marketingbeirat intensiv mit dem Thema beschäftigen.
Das Interview
mit Florian Bauhuber, Jürgen Zudrell, Andrea Schwärzler und Brigitte Plemel (v. l. n. r.)
Vorarlberg Tourismus befasst sich schon seit Jahren mit der Zielgruppe der Etablierten Postmateriellen für Vorarlberg. Warum?
B. Plemel: Wir können Menschen nur ansprechen, wenn wir verstehen, was sie in ihrem Alltag bewegt. Auf dieser Erkenntnis basiert das Instrument der sogenannten Sinus-Milieus. Milieus gruppieren Menschen, die sich in Bezug auf Lebensziele, Lebensstil und Werte ähneln. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie und für wen Vorarlberg aufgrund seiner Stärken attraktiv sein kann. In unserem Fall für die Etablierten Postmateriellen. Was treibt diese Menschen an, welchen ästhetischen Anspruch haben sie? Das alles beeinflusst auch uns als Tourismusdestination. Mit der Persona Nicole Kaiser hat Montafon Tourismus dieser Zielgruppe ein Gesicht gegeben.
Erkennen Sie in Nicole Kaiser Ihre Gäste? Sind das die Menschen, die auch jetzt schon Urlaub bei Ihnen machen?
A. Schwärzler: Bei uns stammt schon ein großer Teil unserer Gäste aus diesem Milieu. Und wir haben gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Wir haben die Zielgruppe als sehr konsumkritisch kennengelernt. Diese Menschen schauen genau hin, wie etwas gemacht wird, sind aber im Endeffekt auch wieder unkompliziert. Ihnen kommt es vor allem auf Dinge wie ein nachhaltiges und regionales Gasterlebnis an. Dazu gehören regionale Architektur und Handwerkskunst und naturnahe Erlebnisse.
Welche Erwartungen setzen die Gastgeber in eine Ausrichtung auf diese eine Zielgruppe?
J. Zudrell: Sehr hohe. Dass man nicht mehr wie bisher nach dem Gießkannenprinzip Zielgruppen anspricht, sondern sich fokussiert, ist der richtige Weg. Bei einem Gespräch vor Jahren hat mich einmal unser Altlandeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber gefragt, wie ich die Zukunft von Vorarlberg Tourismus sehe. Ich habe geantwortet, dass Vorarlberg und damit auch das Montafon nur die Chance haben eine Zielgruppe anzusprechen, welche die hohe Dienstleistung, die wir erbringen und die Infrastruktur, die wir haben, auch gerne finanziert. Der ‚Geiz ist geil‘ Gedanke funktioniert hier nicht. Dadurch, dass Österreich Werbung, Vorarlberg Tourismus und das Montafon dieselbe Zielgruppe ansprechen, haben wir großes Potenzial, die entsprechenden Gäste für uns zu gewinnen.
Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die Etablierten Postmateriellen verstärkt anzusprechen?
B. Plemel: Die Hauptaufgabe von Vorarlberg Tourismus ist, in unseren wichtigsten Märkten ganz gezielt und spitz auf diese Milieus hin zu kommunizieren. Und zwar, indem wir anregende Geschichten, die für die Zielgruppe relevant sind, erzählen und die passenden Kommunikationskanäle auswählen. Besondere Angebote wie die Gauertaler AlpkulTour, die Wanderern Maisäß und Alpkultur mit künstlerischen Interventionen vermittelt, ist ein wunderbares Beispiel dafür, was diese Region kann.
F. Bauhuber: Unsere Zielgruppe sucht das „Echte“. Ein Glücksfall für das Montafon, da es etwas ist, was hier bereits vielerorts angeboten wird. Wobei es schon noch Produktveränderungen braucht. Man muss sich jetzt die Bedürfnisse der Zielgruppe anschauen und überlegen, inwieweit man besser darauf eingehen kann. Bei der Zielgruppe muss sich das Gefühl einstellen, dass sie an diesem Ort richtig ist.
A. Schwärzler: Im Endeffekt ist diese Zielgruppe recht einfach zu bedienen. Sie organisiert sich vieles selbst und möchte selbst entdecken und erforschen. Essenziell ist ihnen zum Beispiel, dass auf einem Käsebrett ausschließlich Vorarlberger Käse angeboten wird. Und in punkto Regionalität ist es nicht nur wichtig zu bewahren, sondern auch neue Geschichten zu erzählen, neue Traditionen zu schaffen, neue Handwerkskunst ins Rampenlicht zu stellen.
Was bedeutet das für die Tourismusregion Montafon? Auf welche Stärken kann man bauen und wo braucht es Veränderungen, um für die Etablierten Postmateriellen bereit zu sein?
F. Bauhuber: Das Angebot an Produkten ist riesengroß. Aber die Zielgruppe kann dieses unter anderem aufgrund ihrer begrenzten Zeitressourcen gar nicht vollumfänglich wahrnehmen. Deshalb braucht es eine Fokussierung – Leitprodukte und Sehnsuchtsorte, die für das Montafon stehen und die man in die Auslage stellt. Mit denen man erfolgreich an die Zielgruppe herantreten kann und die auch im Kopf bleiben, wenn man sie erlebt hat.
J. Zudrell: Wichtig ist, dass wir im Montafon lernen, echt, ehrlich und miteinander zu agieren. Wir müssen von dem Denken wegkommen, dass die Konkurrenz im Tal sitzt, und stattdessen gemeinsam überlegen, wie wir die Gäste herbringen und sie begeistern können. Ob ich in einem Laden einkaufe, bei der Bergbahn anstehe, mit einem Bike Guide auf Tour bin – es muss von allen mitgetragen werden.
Wenn alles so läuft, wie Sie sich das vorstellen: Wo sehen Sie Vorarlberg und das Montafon nach dem Jahr 2020?
B. Plemel: Vorarlberg ist ein Land voller Menschen, die leistungsorientiert sind. Die nicht darauf warten, dass man ihnen sagt, was sie tun sollen, sondern die es immer selber angepackt haben. Wenn wir im Tourismus die Freude am Gestalten kultivieren und dies auch in unseren Angeboten zum Ausdruck bringen, ziehen wir mit den Etablierten Postmateriellen immer mehr jene interessante Zielgruppe an, die genau das schätzt.
A. Schwärzler: Mein Bild ist, dass wir eine Destination sein werden, wo man als Gastgeber sehr gut wirtschaften kann, mit viel persönlichem Engagement und Leistung dahinter. Wo wir dank guter Markenprofilierung unsere Zielgruppe finden, ansprechen und für uns gewinnen können.
F. Bauhuber: Wenn es so läuft wie angedacht, ist das Montafon im Jahr 2020 aufgeräumter. Wir haben weniger, dafür aber ein besser ausgerichtetes Produkt, eine bessere Infrastruktur und eine bessere Leistung für diese Zielgruppe. Dann werden wir auch erfolgreicher sein und es wird dem Montafon touristisch besser gehen. Und das heißt: insgesamt besser.
J. Zudrell: Ich glaube, dass das Montafon künftig wieder einen höheren Stellenwert bekommt und sich die Menschen, die hier leben und die hier Urlaub machen, gleichermaßen wohlfühlen. Dass auch der Einheimische stolz auf „üsr Muntafu“ ist. Wenn wir es gut machen, wird mehr investiert – und davon profitieren alle.
NICOLE KAISER
Dürfen wir vorstellen?
Um die Marketing- und Kommunikationsaktivitäten künftig gezielter an die Gäste zur richten, hat sich Montafon Tourismus intensiv mit der Zielgruppe auseinandergesetzt. Stellvertretend für diese wurde für den deutschen Markt die fiktive Persona "Nicole Kaiser" entwickelt.
Beruf: Rechtsanwältin
Familienstand: verheiratet
Kind: Sohn (8)
Wohnort: Stuttgart
Hobbies: Freunde treffen, Kultur, Sport, in der Natur
Ich versuche so oft wie möglich öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. In den Urlaub reise ich meist mit dem Auto, vor Ort steige ich aber auf Bus und Bahn um. Eine gute Andbindung der Unterkunft ist daher wichtig.
Skifahren, Radfahren, Wandern - ich mag Sport in der Natur. Am liebesten in Kombination mit Kultur und Genuss. Und natürlich mit der Familie. Im Urlaub entscheiden wir spontan was wir unternehmen. Eine Alp-Tour ist zum Beispiel nach meinem Geschmack.
Auf Kultur möchte ich auch im Urlaub nicht verzichten. Mich interessiert die Entwicklung eines Ortes, wie die Menschen früher gelebt haben und welche Kultur sie prägte. Im Montafon kann ich mir beispielsweise vorstellen, die Montafoner Sagenfestspiele zu besuchen.
Im Urlaub will ich Abstand vom Alltag. Das gelingt mir am besten im Hotel oder mit Freunden in einer qualitativ hochwertigen Ferienwohnung. Ich schätze authentische, aufmerksame und freundliche Gastgeber, die mir persölnliche Tipps und Informationen geben.
Im Urlaub koste ich gerne die regionale Küche wie etwa Polmanudeln im Montafon. Wichtig ist mir, dass die Produkte frisch sind und von lokalen Produzenten kommen. Falls es mir schmeckt, nehme ich mir etwas, z.B. ein Stück Sura Kees, mit nach Hause.
Das Internet nutze ich täglich. Privat recherchiere ich über meine künftige Urlaubsdestination und suche nach Geheimtipps vor Ort. Meist buche ich gleich auf einer Hotelplattform. Entscheidend sind ansprechende Fotos vom Hotel und der Region, die einfach Lust auf Urlaub machen. Auch Kommentare anderer User lese ich . Oberstes Gebot online: der Schutz der Privatsphäre.
Zur Entspannung lese ich hochwertige Zeitungen und Magazine, wie "Die Zeit" und "GEO". Von diesen oder TV-Dokumentationen auf öffentlichen Sendern und Pay-TV lasse ich mich für meinen nächsten Urlaub inspirieren.