Nachwuchs gesucht

Zukunft im Tourismus

Wohi gôt's

"Echt Muntafu" Ausgabe 02 / 2016

Der Tourismus ist auf hoch motivierte, bestens qualifizierte Mitarbeiter angewiesen. Weil diese immer rarer werden, ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen und sowohl die touristische Ausbildung, als auch den Arbeitsplatz neu zu gestalten. Damit soll die Jugend Vorarlbergs wieder für die Berufe im Tourismus begeistert werden.

Wie können junge Menschen von der Vielseitigkeit der Berufe im Tourismus überzeugt werden? Das diskutieren Harald Furtner, Geschäftsführer der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Gertrud Tschohl vom Hotel Montafoner Hof, dem derzeit einzigen „Ausgezeichneter Lehrbetrieb Tourismus 2015" im Tal, und Mag. Klaus Mähr, Direktor der Tourismusschulen in Bludenz, gemeinsam anhand von konkreten Lösungsansätzen.

Das Interview

mit Klaus Mähr, Gertrud Tschohl und Harald Furtner

Ein Kernanliegen der Vorarlberger Tourismusstrategie 2020 ist die Ausbildungsreform.
Wieso ist diese ein so zentraler Aspekt?  
H. Furtner:
Die Vorarlberger Tourismusstrategie 2020 wird getragen von drei Säulen: Nachhaltigkeit, Regionalität und Gastfreundschaft. Um die Nummer 1 in der Gastfreundschaft zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir die besten Mitarbeiter. Diese bekommen wir nur, wenn wir ihnen eine hervorragende Ausbildung und danach optimale Karriere- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bieten. Aus diesem Grund haben wir uns gemeinsam mit den Tourismusschulen vor rund drei Jahren vor ein weißes Blatt Papier gesetzt und überlegt, wie wir die Ausbildung im Tourismus auf völlig neue Beine stellen können. Das Ergebnis ist ein Bildungshaus mit unterschiedlichen Schwerpunkten an drei Standorten. 

Herr Mähr, Sie sind als Direktor der Tourismusschulen maßgeblich an dieser Reform beteiligt. Wieso dauert die Ausbildung nun vier statt wie bisher drei Jahre?
K. Mähr:
Das erste Jahr, welches im neunten Pflichtschuljahr startet, dient der Orientierung und soll den 14- bis 15 Jährigen den Einstieg in den Beruf erleichtern. Sie sollen sich langsam an den Tourismus annähern. Gemeinsam mit professionellen Bildungscoaches finden die Jugendlichen heraus, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Erst danach entscheiden sich die Schüler für einen Schwerpunkt und die Aufteilung der Lehrmodule. 70 bis 80 Prozent sind Pflichtmodule und der Rest persönliche Wahlmodule, wie zum Beispiel Sprachen, zur Vertiefung der individuellen Interessen.



„Wir brauchen Praktiker, die ein solides Handwerk lernen wollen und mehr Wertschätzung für die Lehre im Tourismus.“

Gertrud Tschohl

Das klingt nach einer gut durchdachten Ausbildung. Aber wie wollen Sie Jugendliche ermutigen, überhaupt eine Ausbildung im Tourismus zu beginnen?  
G. Tschohl:
Ich richte hier einen bewussten Appell an die Eltern. Diese spüren, wohin die Reise bei ihrem Kind geht. Meist sind sie jedoch voller Skepsis hinsichtlich einer Ausbildung im Tourismus und die Kinder hören auf ihre Eltern. Dabei ist das Image, das viele Eltern von unserer Dienstleistungsbranche haben, nicht mehr zeitgemäß.
Ich würde mir wünschen, dass eine Ausbildung im Tourismus, insbesondere eine Lehre, den gleichen Stellenwert hat wie etwa eine Lehre in einer Bank. Und, dass die Kinder mehr Rückendeckung von den Eltern bekommen, wenn sie sich für den Tourismus entscheiden.

H. Furtner: Dem stimme ich zu. eine Lehre im Tourismus ist beim Beliebtheitsranking an hinterer Stelle. Die neue Ausbildungsform wird das Berufs- und Ausbildungsimage der Branche wesentlich verbessern. Besonders da es eine duale Ausbildung ist, welche die praktische und theoretische Ausbildung in ein neues stimmiges Verhältnis bringt. Das heißt, es wird zwei Wege innerhalb der Ausbildung geben: den einen mit mehr Praxis, den anderen mit mehr Schule. Jeder Jungendliche kann selbst wählen, was ihm mehr liegt. Die Lehre als solche bleibt bestehen. Aber ich glaube die neue Ausbildung wird über die Zeit immer mehr Jugendliche für den Tourismus begeistern. 



„Uns geht es nur um Eines: Qualifizierte Mitarbeiter. Alle Wege dahin sind passabel. die Frage ist nur, wer wo besser aufgehoben ist.“

Klaus Mähr

Wie kann die Qualität der praktischen Ausbildung in den Betrieben verbessert werden?  
H. Furtner:
Die Lehrer in den Schulen müssen hohe Qualifikationen mitbringen und sich permanent weiterbilden. Dasselbe gilt künftig für die Betriebe. Es wird qualitative Anforderungen geben, die auch überprüft und kontrolliert werden. Das heißt, nicht mehr alle Ausbildungsbetriebe werden im neuen System zugelassen.    

K. Mähr: Eine Idee wäre eine Art Praktikumsmappe. Jeder Schüler beurteilt den Betrieb und im Gegenzug jeder Betrieb den Schüler. So bekommt die praktische Ausbildung mehr Tiefgang und es wird sich schnell herauskristallisieren, wer einen attraktiven Arbeitsplatz bieten kann und wer für den Beruf geeignet ist. Dazu braucht es aber auch Mitarbeiter vor Ort, die diese Schulung und Betreuung der jungen Kollegen übernehmen. 

G. Tschohl: Genau hier sehe ich eine Schwierigkeit. Für Praktikanten und Schnupperlehrlinge braucht es Mitarbeiter, die sich um sie kümmern. Hierfür muss enorm viel Arbeitszeit investiert werden. Ein finanzieller Aspekt, der manche Betriebe abschreckt. Mir persönlich ist wichtig, die jungen Leute vom ersten Moment an abzuholen und voll einzubinden. Oft werden sie in den Betrieben aber nur zum Staubsaugen, Zwiebelschneiden und Besteck polieren abgestellt. So kann man sie nicht für die Branche gewinnen.



„Wir können es uns in der Branche einfach nicht leisten, schlecht mit Mitarbeitern umzugehen.“

Harald Furtner

Auf was muss man darüber hinaus bei den Jugendlichen achten, um sie „abzuholen“?  
K. Mähr:
Die heutige Jugend ist anders als vor zehn, zwanzig Jahren. Es sind ihnen zum Beispiel Werte wie Kollegialität und Teamarbeit wichtiger als Prestige und Karriere. Hier muss man einhaken und das System auf die Bedürfnisse der heutigen Jugendlichen abstimmen.

G. Tschohl: Die Jugendlichen brauchen mehr Praxis in der Schulausbildung, zum Beispiel ein Praktikum sowohl im Sommer als auch im Winter. Dann wären auch mehr Betriebe bereit, Praktikanten aufzunehmen. Und die Jugendlichen können das gastronomische Jahr intensiver erleben und eine vielfältige Praxis sammeln. Der Betrieb muss den Jungenlichen viel Vertrauen entgegenbringen und selbständiges Handeln zugestehen, nur so lernen sie Verantrwortung zu tragen. Zudem sind es Kinder, wir müssen sorgsam mit ihnen umgehen. Oft sind wir ja als Lehrbetrieb sogar Ersatzmama- und papa.

H. Furtner: Stimmt. Gerade im Tourismus ist es wichtig, dass die Jugendlichen sich im Familienverband mitaufgenommen fühlen, da sie oft weit weg von zu Hause sind. Wir streben an, das Netzwerk und die Kommunikation von allen, die bei der Entwicklung der jungen Menschen eine Rolle spielen, also Eltern, Ausbildner im Betrieb und Lehrer in der Schule, auszubauen. Aber auch fixe Mitarbeiter und Saisonarbeiter müssen angemessen betreut werden.

Was gibt es an Weiterbildungsmöglichkeiten nach der Ausbildung?   
K. Mähr: Geplant ist, über die modularen Systeme des Bildungshauses auch Weiterqualifizierungen und Zusatzausbildungen anzubieten. Möchte etwa ein Kellner die Matura nachholen, so absolviert er einfach die dafür notwendigen Module.  

 

Was können denn die einzelnen Regionen wie das Montafon tun?   
H. Furtner:
Im Gästemarketing sind die Regionen gut aufgestellt. Dasselbe müsste man auch umlegen auf ein Mitarbeitermarketing. Zum Beispiel indem die Saisonarbeiter gebührend in der Region und den Betrieben empfangen und verabschiedet sowie dann das ganze Jahr laufend informiert und betreut werden. Dann können sie auch leichter für die nächste Saison wiedergewonnen werden. Oder indem eine zentrale Anlaufstelle für die Mitarbeiter vor Ort geschaffen wird, wo direkt alle wichtigen Fragen zur Arbeit, zum Beispiel Versicherung, beantwortet werden. Wenn es uns gelingt, den Arbeitsplatz im Montafon und in Vorarlberg zur Marke zu machen, haben wir einen guten Job gemacht.  

G. Tschohl: Ich komme nochmal zurück zu den jungen Talenten, die wir abholen sollten. Wir müssen die Wertschätzung für die regionale Wertschöpfung des Tourismus und das Selbstbewusstsein für den Tourismus im Tal stärken. Der Tourismus ist überlebenswichtig für das Montafon. Das gilt es den Jugendlichen und auch den Eltern zu verdeutlichen.

K. Mähr: Wir dürfen weder in der Ausbildung noch in der Tourismusqualität stehen bleiben. Wir müssen ständig Schritte setzen und konsequent am Ball bleiben, um eine Bewusstseinsänderung zu schaffen. Wir müssen genau schauen, welche Jugendlichen sich für den Tourismus interessieren, sie dort abholen, wo sie stehen und sie auf ihrem Weg begleiten. Schulen konnten bis dato diese intensive Betreuung und Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten nicht leisten. Jetzt in der neuen Ausbildung schon. Wir dürfen nur nichts falsch machen, denn wir werden nicht übermäßig mehr Interessenten haben, wir müssen mit denen arbeiten, die da sind und ihnen verdeutlichen, dass die beruflichen Perspektiven nirgendwo größer sind als im Tourismus.

KURZINFO aus dem "Echt Muntafu" Ausgabe 02 / 2016

  • Gastronomiefachmann-/frau (4 Jahre)
  • Hotel- und Gastgewerbeassistent/-in (3 Jahre)
  • Hotelkaufmann/-frau (3 Jahre)
  • Koch/Köchin (3 Jahre)
  • Weitere Lehrberufe mit touristischem Bezug sind z.B. Systemgastronom/-in, Reisebüroassistent/-in, Seilbahntechniker/-in, Fitnessbetreuer/-in, Sportadministrator/-in, Konditor/-in
  • Mehr Infos über Ausbildungswege, Berufsaussichten und freie Stellen hier
    deinestarcard.at/stelleninserate

Als Zeichen der Wertschätzung gibt es seit Juli 2015 die STARCARD für alle Mitarbeiter teilnehmender Tourismusbetriebe. Mit dieser Vorteilskarte können Touristiker vergünstigt Restaurants, Hotels, Freizeit- und Kulturangebote kennenlernen sowie exklusive Sparpakete etwa für Weiterbildungskurse beziehen.
Außerdem werden sie über Angebote und Branchenveranstaltungen informiert. Dort können die STARCARD-Nutzer Kontakte knüpfen und sich austauschen.
Mit der STARCARD wird zudem eine Mitarbeiterdatenbank aufgebaut. 
deinestarcard.at

Das Projekt „Attraktiver Arbeitsplatz im Tourismus“ wurde von Unternehmensberaterin Dr. Monika Vonier zusammen mit sieben Pilotbetrieben im Montafon im Auftrag von Montafon Tourismus und mit der finanziellen Unterstützung vom Land Vorarlberg und der Wirtschaftskammer Vorarlberg umgesetzt. Gemeinsam mit den Mitarbeitern als Experten wurden die Arbeitssituation evaluiert und Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Zentrale Frage: Wie muss ein Arbeitsplatz im Tourismus in Zukunft gestaltet sein, damit er den Bedürfnissen der Mitarbeiter entspricht und im Vergleich zu anderen Branchen attraktiver werden kann?

die Silvretta Montafon GmbH hat gemeinsam mit der Höheren Lehranstalt für Tourismus 2013 ein innovatives Ausbildungskonzept entwickelt. Ausgewählte junge Interessenten können ein achtwöchiges Praktikum oder einjährige Traineestelle als Ergänzung zu ihrer Ausbildung absolvieren.
Das Ziel ist, den Jugendlichen die Praxis näherzubringen und den Übergang zwischen Schule und Arbeit zu erleichtern. Die Berufseinsteiger wechseln zwischen den Abteilungen und haben dadurch die Chance, die vielseitigen Facetten des Tourismus in einem Betrieb kennenzulernen.

Die Sparte Tourismus der Wirtschaftskammer Vorarlberg hat 2014 mit der Caritas Vorarlberg ein Integrations- und Ausbildungsprojekt initiiert. Junge Asylwerber erhalten Lehrplätze und damit eine fundierte Ausbildung in der heimischen Gastronomie und Hotellerie. Die Betriebe gewinnen im Gegenzug engagierte Lehrlinge.
Neben dem Interesse an der Branche entscheiden bei der Auswahl der Lehrlinge gute Sprachkenntnisse. Bei den Lehrbetrieben hingegen ist Erfahrung mit Integration essenziell. Unterstützend stehen Caritas-Mitarbeiter zur Seite.