Der Herr der Begegnung

Bruder Engelbert hat im Kloster Gauenstein ein authentisches Stück Montafon geschaffen

„Mit den Leuten passiert etwas, wenn sie in unseren Garten kommen“, sagt Bruder Engelbert nicht ganz ohne Stolz. Der Mann weiß, wovon er spricht. Schließlich wurde er schon vor 30 Jahren von den Kapuzinern nach Gauenstein entsendet. Die einen lieben die Stille des kleinen Klosters. Die anderen Begegnungen der besonderen Art, für die der Hausherr mit der Zeit ein ganz besonderes Gespür und wohl auch eine Vorliebe entwickelt hat. Markante Spuren hat Gauenstein noch bei jedem hinterlassen. 

Begegnung heißt das Zauberwort, das Bruder Engelbert verinnerlicht hat. Begegnung setze Einladung voraus. Die gilt im Kloster für alle. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Für die, die nur kurz im Klostergarten verweilen möchten. Aber auch für jene, die eine ganze Woche lang einfach nur runterkommen oder ihren Sorgen auf den Grund gehen möchten. „Zu mir kommen gestresste Manager genauso wie Menschen mit Beziehungskrisen oder anderen Problemen.“ 

Vor allem auch an Randgruppen habe der Orden in Gauenstein gedacht. Und deshalb Bruder Engelbert von Fussach am Bodensee in den Süden Vorarlbergs geschickt. Egal ob fremde Kulturen, Geschiedene oder Gleichgeschlechtliche, der sympathische und weltoffene Gottesmann hat für jede Situation ein feines Händchen. Zur Not auch im Außendienst des Herrn: Es soll schon vorgekommen sein, dass er zu streitenden Eheleuten ins Hotel gerufen worden sei, erzählt man sich im Tal.



„Schon der Hl. Franziskus von Assisi hat den liebevollen Umgang mit Mutter Erde gelebt und gepredigt.“

Bruder Engelbert

Spiritueller Ort

Meditieren, beten, reden, zuhören, psychologische Begleitung – die Wege zurück in die richtige Spur sind in Gauenstein vielfältig. Welcher der richtige ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Einzige Bedingung: Wer bleiben will, muss mit anpacken. Im Garten, im Haus, beim Holzen oder in der Küche – irgendwo finden alle den Platz, an dem sie im Einmann-Selbstversorger-Betrieb Gauenstein gebraucht werden. Die zehn Zimmer mit insgesamt zwölf Betten sind heiß begehrt. Es hat sich herumgesprochen, dass hier – übrigens auf Spendenbasis – jedem auf seine Art geholfen wird. „Jeder nimmt sich bei uns das mit, was er braucht. Mein einziger Wunsch ist, dass das Kloster ein spiritueller Ort bleibt.“

Was eben diesen Ort so einzigartig mache, möchten wir von Bruder Engelbert wissen. Viele Dinge würden eine Rolle spielen: Der traumhafte Garten, die putzige kleine Kirche. Die einmalige Lage in einer einmaligen Landschaft – „alleine der Blick auf die Drei Türme ist den Besuch schon wert“. Aber am meisten, wirklich am meisten, sinniert der 63-Jährige, fasziniere die Leute das Echte. „Hier ist nichts konstruiert. Hier ist alles natürlich und unverfälscht. Mehr Montafon geht nicht.“ 

„Die Natur ist unser Gold“

Den Gästen dieses Echte zu bieten und noch lange zu ermöglichen, sei eine vordringliche Aufgabe für alle Menschen im Tal. „Schon der Hl. Franziskus von Assisi hat den liebevollen Umgang mit Mutter Erde gelebt und gepredigt und zur Bewahrung der Schöpfung aufgerufen. Da sollten wir Montafoner keine Ausnahme machen. Die Natur ist unser Gold.“ Dieses Juwel gelte es zu erhalten. Wer das tue, werde in vielerlei Hinsicht reich belohnt, ist Bruder Engelbert überzeugt. „Tourismus ist ein Geben und Nehmen. Gäste bringen nicht nur Wohlstand, sondern auch neue Sichtweisen und Perspektiven, die uns wieder weiterbringen.“

Und so trägt er in seiner „kleinen Oase der Stille und der Begegnung“ dazu bei, dass seine Besucher ein authentisches Stück Montafon mit nach Hause nehmen können. Oft auch zusammen mit der Lösung des Problems, das sie hierher geführt hat. Manchmal kann das Leben ganz einfach und trotzdem schön sein. Vielleicht gerade deswegen. Gauenstein ist das beste Beispiel dafür.