Eine Gratwanderung

Eine Skitour zum 2.466 Meter hohen Gipfel der Madrisella ist vor allem eins: aussichtsreich.

Wir gehen diese Tour mehrmals im Winter, zum einen weil sie einen recht kurzen Aufstieg hat und uns zum anderen schon fast zu viele Möglichkeiten zur Abfahrt lässt. Gerade wenn es um die Kondition noch nicht so gut steht, ist diese Skitour ein guter Start. Denn mit ihren rund 450 Höhenmetern, die man je nach persönlicher Geschwindigkeit in 1,5 bis 2,5 Stunden schafft, überfordert sie uns nicht. Hinzu kommt die gewaltige Aussicht, die man die gesamte Strecke über direkt vor der Nase hat.

Wir starten an der Bergstation des Burg Schlepplifts im Skigebiet Silvretta Montafon. Dorthin gelangt man am schnellsten mit der Versettla Bahn oder wie wir mit der Valisera Bahn und der Nova Bahn ab St. Gallenkirch. An der Bergstation angekommen, fahren wir links ab und richten uns nach etwa 50 bis 100 Meter einen Anfellplatz am rechten Pistenrand ein.

Noch ist es hier kalt und schattig, aber die wärmende Sonne ist nur wenige Schritte entfernt. Also verstauen wir auch unsere Jacken im Rucksack. Einen LVS Check später ziehen wir in Richtung der Lawinengalerie auf der rechten Seite los, dann um die „Ecke“, wo die Sonne schon auf uns wartet. Nach ein paar Minuten erreichen wir eine Wechte in der Einsattelung, die je nach Winter mehr oder weniger ausgebildet ist. Ab hier halten wir uns links und überwinden eine längere Steilstufe mit ein paar Spitzkehren. Bei frischem Schnee kommt man auch mal ohne aus. Dabei behalten wir unsere Umgebung gut im Blick, denn nicht selten kann man hier Gämse und Steinböcke in ihrer natürlichen Umgebung beobachten.

Im Anschluss an den Hang sehen wir mehr oder weniger schon den Rest der Strecke bis zum Gipfelkreuz vor uns liegen. Jetzt beginnt die lange Gratwanderung mit traumhafter Aussicht auf die zahllosen Gipfel der Westsilvretta. Der entspannte Weg entlang der Versettla führt uns mal etwas hinauf, dann hinunter (mit Fellen nicht ganz so lustig), wieder hinauf...

Beim letzten Teil des Wegs scheiden sich die Geister: Einige steigen geradeaus und steil zum Kreuz auf (Harscheisen im Frühjahr sinnvoll!). Wir bevorzugen jedoch die etwas längere, aber deutlich einfachere, flache Querung südöstlich unterhalb des Gipfelplateaus.

Oben angekommen gibt es erstmal eine leckere Jause mit Sura Kees Pistenbrot und Bergkräuter Tee. Den Gipfelschnaps lassen wir ehrlich gesagt weg, aber wer ihn mag, darf sich am Kreuz natürlich ein Schlückchen gönnen. Wir nutzen die Pause und inspizieren die verschiedenen Abfahrtsvarianten zwischen denen wir uns entscheiden müssen: nord-westlich ab durch die Mulde (>35 Grad steil), süd-westlich im großen Bogen (super bei Firn, >30 Grad steil) und nördlich die Direttissima durch eine Rinne (>40 Grad steil, verlangt absolut sichere Bedingungen und verzeiht keine Fehler). Alle drei enden mehr oder weniger am Nova Lift im Novatal. Wir sind sie alle schon mehrfach gefahren und natürlich favorisieren wir schon vor Tourbeginn eine Abfahrt, aber manchmal ändern sich die Bedingungen unterwegs oder das Bauchgefühl und wir entscheiden uns um, gehen eventuell einen Schritt zurück.

Skitour Madrisella | © Montafon Tourismus GmbH Schruns, Nina und Dirk Posay

Fangen wir doch mit der extremsten Variante an: Die Madrisella Rinne

Den Einstieg dazu mussten wir beim ersten Mal regelrecht suchen. Auf der Karte sah es fast aus, als könnte man die Stelle nicht befahren (alles über 40 Grad und mehr). Von oben war aber schnell klar, wo es lang geht. Wir fahren zuerst ein paar Höhenmeter in nord-westliche Richtung ab (hier bitte nicht stürzen) und stehen dann auch schon mit gehörig Respekt am super steilen Einstieg der Nordrinne. Flitzeaufgeregt wagen wir uns langsam hinein und werden dann Schwung für Schwung im engen Couloir mutiger. Adrenalin pumpt durch unsere Adern. Nach etwa einem Drittel wird die Rinne deutlich breiter, bleibt aber noch steil. Spätestens in der Mitte brennen unsere Oberschenkel und wir schnaufen wie Glen Plake und Scot Schmidt im Ski Film Klassiker „Blizzards of Aahhhs“. Das ist alles egal, weil wir überglücklich sind, es bis dahin geschafft zu haben. Das Couloir läuft breit im Novatal aus und wir müssen nur noch durch die Felsblöcke hinaus navigieren und über die Schwarzköpfle Skiroute zurück zum Lift fahren.

Skitour Madrisella | © Montafon Tourismus GmbH Schruns, Nina und Dirk Posay

Wem das zu steil und gefährlich ist, empfehlen wir: Die goldene Mitte

Hierzu müssen wir den Einstieg nicht lange suchen, denn Teile der Abfahrt sieht man schon vom Aufstieg aus. Je nachdem wie die Schneelage es zulässt, fahren wir vom Gipfel erst ein paar Meter zurück in östliche Richtung (entlang der steilen Aufstiegsspur), um dann in die breiten Hänge Richtung Nord-Osten einzufahren. Oft findet sich hier auch ein paar Tage nach dem letzten Schneefall noch Pulver. An der nächsten Geländekante überlegen wir, welchen Weg wir für die Steilstufe am Ende wählen. Weiter links ist die Ausfahrt zwischen den Felsen breiter, bei schlechter Schneelage jedoch sehr mit Büschen durchsetzt. Weiter rechts geht es durch eine Art Rinne weiter, aber die bekommt manchmal etwas Sonne ab. Dieses Jahr ist das keine Frage, wir haben mehr als genug Schnee, also links. Ein paar Schwünge später werden wir noch mal mit einem breiten Tiefschneehang verwöhnt, der wie die Rinne im Novatal auf die Schwarzköpfle Route trifft.

Skitour Madrisella | © Montafon Tourismus GmbH Schruns, Nina und Dirk Posay

Das Beste kommt wie immer zum Schluss: Die Genussabfahrt

Auch wenn wir steil geil finden, haben wir selbst diese Abfahrt bisher am häufigsten gewählt. Ganz einfach, weil sie zum einen die längste Strecke hat und zum anderen die beste Wahl bei Firn ist. Im Frühjahr, wenn es langsam warm wird und man durchaus schon im T-Shirt hochsteigen kann, ist die Variante purer Genuss. Dazu fahren wir direkt vom Kreuz über den Grat etwa 150 bis 200 Meter Richtung Süden zurück und drehen dann nach Süd-Westen. Wir fahren über mäßig steile Hänge etwa in die Mitte des Talschlusses an einer Hütte vorbei. Von hier schaut man durch das gesamte hintere Novatal. Links erhebt sich die Heimspitze, rechts die Madrisella. Wir fahren in der Mitte durch. Im Frühjahr halten wir uns für diesen Teil der Strecke meist weiter rechts, um eventuellen Nassschneelawinen an den steilen Heimspitzhängen auszuweichen. Auch hier schieben wir uns durch die Felsblöcke zur Schwarzköpfle Route.

Naturverträglicher Wintersport

Ein besonders wichtiges Thema, das wir als leidenschaftliche Wintersportler mittransportieren möchten ist der naturverträgliche Wintersport: Wir haben als Sportler in der Natur Rechte und Pflichten – nur kennen wir sie oft nicht oder sie sind uns nicht bewusst. Dadurch ist die Initiative “Naturverträglicher Wintersport im Montafon” entstanden mit dem Ziel tragbare Lösungen für alle – also Wild, Wald und Wintersport, zu finden. 

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