Führung durch das Schausägewerk "Mülli Ferdi"

Eine aktive historische Säge live erleben

Eine nostalgische Säge, ein Wasserrad und ein Betreiber? Nein, beim einzigen Wassersägewerk Vorarlbergs geht es um viel mehr: Hier sind Traditionshandwerk, langjährige Erfahrung und Technik eng verflochten. Das Familienerbe kann sogar computerbetriebene High-Tech-Sägewerke in einigen Aspekten in die Ecke stellen. Was das alles auf sich hat, erfahren wir bei der Führung des Sägewerks im idyllischen Gauertal über dem Latschauer Staubecken bei Tschagguns.

Führung durch das Schausägewerk "Mülli Ferdi" Impression #1

Auf wertvolle Tradition aufgebaut: „Mülli Ferdi“

„Mülli Ferdi“ – auf diesen Namen hört das historische, 1790 errichtete Sägewerk, das mit einem Wasserrad betrieben wird. Der erste Namensteil zeugt von der bis 1926 betriebene Getreidemühle in der Nachbarschaft, der zweite vom früheren Besitzer Ferdinand Loretz. Ferdinand, besser bekannt als „Mülli-Ferdi“, übernahm das Sägewerk von seinem Vater. Dabei kann es auf eine noch längere Geschichte zurückblicken, denn die Familie hatte die Säge bereits 1849 erworben. 1907 dann ein Meilenstein, wie uns Klaus bei der Führung erklärt: „Ein Bergbauer konnte sich natürlich keine kostspielige neue Säge kaufen. Deshalb wurde die Säge aus Teilen eines Venezianergatters, also einem senkrechten Sägeblatt, aus Frastanz umgebaut. Das brachte eine enorme Leistungssteigerung“. Zum Glück trotzte die Säge dann dem verheerenden Hochwasser von 1910, das die Mühle weggeschwemmt hatte.

Führung durch das Schausägewerk "Mülli Ferdi" Impression #1

Wir schauen ehrfürchtig auf das Sägeblatt vor uns, das sich am Originalschauplatz mit lautem Rattern auf und ab bewegt und einen langen Stamm durchsägt. Sie wird von Hubert betrieben, dem Sohn von Ferdinand. Der gelernte Maschinist kümmert sich seit seiner Rente leidenschaftlich um die Säge. Sein Vater war noch mit 95 Jahren hier aktiv. „5 Jahre haben wir zusammengearbeitet“, erzählt uns Hubert, während er den Baumstamm für einen nächsten Schnitt nachrückt. Dazu fixiert er den Stamm auf dem Blochwagen an einem Ende mit einem 3 cm breiten Maßkeil und justiert die Säge. Dann setzt er am anderen Ende einen 3,5 cm breiten Abstandholzblock ein. Aha, auf die 3 cm kommen 0,5 cm Schnittbreite dazu. Wir verfolgen den Fixiervorgang gespannt, ein Teilnehmer darf sogar selbst Hand anlegen.

Alles aus einer Hand

„Damals hatte das Sägen eines sieben Meter langen Baumstamms 2 Stunden gedauert,“ erklärt uns Klaus. Und heute? Wir schätzen und liegen prompt daneben. „Heute sind es rund 5 Minuten“. Abhängig ist die Dauer – und auch der Verschleiß des Sägeblatts – vom Holz. „Am besten ist komplett trockenes oder komplett feuchtes Holz, also keine wechselnden Bedingungen“. Muss das Sägeblatt geschliffen werden, kümmert sich Hubert darum. Alles aus einer Hand sozusagen: von Instandhaltung des Gebäudes, Durchführung der Sägetechnik, Kontrolle des Wasserlaufs und des Wasserrads über die Transmission bis hin zum Schliff am Sägeblatt. Auch die von Hand angetriebene Seilwinde zur Beladung des Sägewagens muss im Auge behalten werden. Zum richtigen Zeitpunkt Hebel umlegen und an Seilen ziehen, nachschärfen, Kantenschnitte mit der Kreissäge ausführen. Das Zusammenspiel der Schritte, eine in Schuss gehaltene Technik und das Know-how von Hubert sind unschätzbar. Gesägt werden hier ganz unterschiedliche Stämme wie Buche, Apfelbaum oder Kirsche. Sie finden als Bretter und Balken ein neues Leben, z. B. in Schalungen oder Dachunterkonstruktionen. Klaus nennt noch einen besonderen Aspekt: „Hier geben Leute sehr lange Stämme ab, moderne Sägen nehmen diese oft gar nicht erst an.“ Tja, Grüße gehen raus an computergesteuerte Sägewerke mit vollautomatischem Ablauf. Bei Müller Ferdi wird alles mit Händen angenommen und zusammen mit Technik bewältigt, auch wenn es aufwendig ist.

Führung durch das Schausägewerk "Mülli Ferdi" Impression #1

Druck? Nein, Hauptsache, es fließt Wasser!

Klaus zeigt auf den Wasserschacht an der Front des Bauwerks: „Hier wird das Wasser vom Rasafeibach geleitet. Über einen Seilzug lässt sich die Klappe öffnen, sodass das Wasser auf das Wasserrad geführt werden kann.“ Das Wasserrad! Klar, wollen wir sehen! Wir laufen zum gemauerten Untergeschoss und staunen nicht schlecht: Denn das Lärchenholz-Wasserrad, das 2011 in einer gemeinschaftlichen Aktion erneuert wurde, hat einen gewaltigen Durchmesser von 4,1 Metern. Angetrieben wird es vom Wasser, das von oben auf die Schaufeln fließt und das Rad durch sein Gewicht in Bewegung setzt. Oberschlächtig nennt man das, wie wir von Klaus erfahren.  „Das Rad funktioniert nicht auf Druck einer Turbine, sondern durch Wasser. Dabei geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um die Wassermenge.“ Wir hören plötzlich, dass das Rattern der Säge schneller wird. „Schaut, jetzt gibt er wieder Wasser zu, jetzt gibt er Gas!“

Führung durch das Schausägewerk "Mülli Ferdi" Impression #1

Wir gehen in die Radstube, um zu sehen, wie das Wasserrad die Transmission antreibt. Dadurch bewegen die zwei Schwungräder und die Stelzen das Venezianergatter auf und ab. Jede Umdrehung des Wasserrads ergeben letztlich 24 „Hübe“ auf dem Venezianergatter. Und das alles also ohne Strom – wie auch schon das Hieven der Baumstämme in den Blochwagen per Handwinde. 

Führung durch das Schausägewerk "Mülli Ferdi" Impression #1

Die Schwungräder sehen aus einem einheitlichen Guss gefertigt aus – doch wir sollten uns täuschen: „Guss kann spröde werden und lässt sich nicht schweißen. Deshalb sind die Zähne aus Holz“, erklärt Klaus. Wir hören ein Quietschen – die Säge wird gerade neu positioniert. Wir gehen nochmal nach oben zu Hubert, um den Vorgang zu betrachten. Der Stamm – tja, hatte er eben noch zwei Schnitte, ist er jetzt zum Streifenhörnchen geworden. So schnell geht’s hier voran beim bedeutendsten historischen Sägewerk in Vorarlberg. „Ich kann das nur hobbymäßig machen. Die Instandhaltung kostet einfach auch viel“, sagt Hubert. Seine Passion ist beeindruckend, er schätzt und schützt das Erbstück und hofft, dass es noch lange sägt.

Handwerkskunst hat hier eine ganz eigene Sprache. Ich stelle mir vor, in einer gemütlichen Hütte unter Dachbalken von Mülli Ferdi zu sitzen. An einem langen Holztisch, designt von purer Wasserkraft. Und wie auch ich einen Schnitt setze, wenn auch nur mit meinem Messer auf dem Käsebrett. Okay, Genuss beginnt im Kopf – lässt sich hier aber ausleben. Wie wäre es, von hier aus mal zur Lindauer Hütte zu gehen? Idyllisch ist das Gauertal im Angesicht der Drei Türme (2830 m) auf jeden Fall, wie ich schon auf einer Schneeschuhtour im BergePlus-Programm erfahren konnte. Na dann, dieses Mal mit Wanderschuhen und los durch die schöne Maisäßlandschaft!

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