Gebrauchstisch, Antiquität oder Kunstwerk?

Zur Kulturgeschichte des Montafonertisches

Mehr als 100 Stunden Arbeit stecken in jedem der Möbelstücke. Nur wenige Tischler sind noch mit der Herstellung vertraut. Wir haben uns auf die Spuren des Montafonertischs gemacht. 

Im Jahr 1920 schrieb der Architekt Georg Baumeister über den Montafonertisch: Der alte schwere Tisch mit der eingelegten Schieferplatte, auf den man sich so recht behaglich hineinlehnen konnte und der sich nur freute, wenn man beim Jaß recht kräftig auf ihn hineinschlug, weil er ja ohnedies seine Füße nach allen vier Himmelsrichtungen spreizte, auch ihm wurde es zu fremd, er wanderte aus.

Glücklicherweise hatte Baumeister mit seiner abschließenden Feststellung in Bezug auf den Montafonertisch unrecht. Allerdings traf er wohl den damaligen Zeitgeist, denn nach dem 1. Weltkrieg standen alte Tische nicht besonders hoch im Kurs. So kam der älteste bekannte und datierte Montafonertisch aus dem Jahr 1712 in jenen Jahren ins Montafoner Heimatmuseum nach Schruns. Eine Inschrift gibt nicht nur Auskunft über das Alter, sondern auch über die einstigen Besitzer: Meister Johann Michael Keller und seine Frau Margaretha Wachterin. Der über 300 Jahre alte Tisch weist bereits alle formalen Elemente des Typs auf.

Seit wann gibt es diese Art der Tische im Montafon?

Die ältesten bekannten Beispiele des Montafonertisches stammen aus dem 17. Jahrhundert, sind jedoch ohne Inschriften nicht eindeutig datierbar. Der Montafonertisch ist ein aufwändig gestaltetes Objekt, dessen Entwicklung durch vergleichbare Beispiele in den bürgerlichen Stuben der Renaissance-Zeit vorgezeichnet ist. Die polygonale Gestaltung des Tischblattes und die schmuckvollen Intarsien sind Kennzeichen jener Tische, die heute noch manches Bürgerhaus und Schloss in der Bodenseeregion zieren. Es ist anzunehmen, dass die zur saisonalen Auswanderung gezwungenen Montafoner Handwerker diesen Stil auf ihren Baustellen wahr- und aufnahmen und sodann mit in ihre Heimat trugen. Die Verbreitung der Tische in der Region dürfte nicht unwesentlich mit der Idee zusammenhängen, hier auch Prestigeobjekte zu schaffen.

Wie ist ein typischer Montafonertisch gestaltet und aufgebaut?

Zu den wesentlichsten äußeren Erkennungszeichen des Montafonertisches gehören ornamentale Einlegearbeiten und die charakteristische Schieferplatte. Der Tisch besteht aus der Tischplatte, dem Tischgestell, einer Schublade und vier ausgespreizten, meist gedrechselten Beinen, die manchmal auch noch durch eine Fußleiste zusammengehalten werden. Die Tischplatte selbst ist meist achteckig; sie kann aber auch quadratisch, rechteckig oder rund gestaltet sein. Zwischen den einzelnen Tischbeinen sind gelegentlich Trittleisten eingespannt, die unter den Namen „Vergelts Gott“ oder „Faulenzer“ bekannt sind. Es ist davon auszugehen, dass nicht Bequemlichkeit die Ursache für dieses Element ist, sondern dass vielmehr die kalten Böden früherer Zeiten diese „Erfindung“ notwendig machten. Die höher angebrachten Verbindungsstege dienten zwar auch den Kindern, aber hauptsächlich wohl der Stabilisierung.

Einlegearbeiten Montafonertisch | © Montafon Tourismus GmbH, Schruns - Andreas Haller

Welches Holz wurde verwendet?

Haltbarkeit und Standfestigkeit des Tisches werden durch die Auswahl des entsprechenden Holzes bestimmt. Neben ausgesuchtem schlichten Nadelholz werden aber auch das teure Hartholz oder kostbare Obsthölzer verwendet, die vor allem bei der Tischplatte zum Einsatz kommen. Gründe dafür sind in erster Linie in der Gebrauchsanforderung zu suchen; die rechtlich und sozial hervorgehobene Bedeutung des Tisches mag aber auch Anlass für die entsprechende Holzwahl gewesen sein. Das Tischgestell besteht oft aus Nuss- oder Kirschholz, manchmal auch aus Birnbaumholz. In billigeren Varianten kam auch Buchenholz auf Nuss gebeizt zur Anwendung. Die Oberfläche der Tischplatte besteht aus zahlreichen Intarsien (also Einlegebändern), die in der Regel aus Harthölzern gemacht sind. Esche (Rüster), Nusswurzelholz, Ulmenwurzel, Ahorn, Nuss oder Kirsch kommen hier in Frage; schwarze Oberflächen können vom Ebenholz stammen. 

Die Zeiten, in denen die Tische in massiver Bauweise in Vollholz hergestellt wurden, sind vorbei beziehungsweise eine Frage der Finanzierung. Das Furnier hat das Vollholz abgelöst. Unter Furnieren versteht man dünne Blätter aus echtem Holz, die auf eine Spanplatte oder auf Sperrholz aufgeleimt werden. Fehlende Lagerplätze (für die Trocknung der Hölzer) und die serielle Anfertigung spielen neben dem günstigeren Preis eine entscheidende Rolle in dieser Entwicklung. Dass sich Möbel weniger „verziehen“, ist nebenbei noch ein Vorteil der neuen Bauweise dieser Tischplatten. Dabei wurde immer schon „vorgegaukelt“, gab es doch anstelle der eingelegten Hölzer auch Vortäuschungen von Intarsien durch Malerei. Der Einsatz von Lackierungen ist ebenfalls ein Produkt jüngerer Zeit, reichte doch früher die einfache Polierung aus.

Montafonertisch | © Montafon Tourismus GmbH, Schruns - Andreas Haller

Was hat es mit der Schieferplatte auf sich?

Die meist konisch in die Tischplatte eingelassene Schieferplatte ist ein signifikantes Merkmal des Montafonertisches. Als Ablage für die heiße Pfanne oder zum Anschreiben beim „Lieblingssport“ der Montafonerinnen und Montafoner, beim Jassen, eigneten sich diese Platten vorzüglich. Wir können auch davon ausgehen, dass auf dieser Platte die Großen ihre Geschäfte und die Kleinen ihre Hausaufgaben rechneten. Je größer die versenkte Schiefertafel, desto schöner und wertvoller war der Tisch, denn der Stein stammte nicht aus der Region, sondern wurde aus Glarus in der Schweiz importiert. 

Montafonertisch - Schublade | © Montafon Tourismus GmbH, Schruns - Andreas Haller

Betrachtet man die jüngere Geschichte des Montafonertisches, so hat Baumeister mit seiner eingangs zitierten Feststellung, dass selbiger auswandere, nicht ganz unrecht: Die Blütezeit des Montafonertisches nach dem Zweiten Weltkrieg lässt sich nicht alleine mit der allgemeinen Aufbruchsstimmung, sondern vor allem mit dem aufblühenden Tourismus erklären. So wurde und wird der Montafonertisch weltweit exportiert. Der Versand nach Nord- und Südamerika, nach Südafrika, Japan und Australien ist mehrfach belegt. Aus dem reinen Gebrauchstisch der Barockzeit, der meist rechteckig und eher größer und vor allem mit großzügiger bemessener Schieferplatte ausgestattet war, wurde ein kleinerer und vielen Formen entsprechender Ziertisch.

Exkurs: Montafonertisch oder doch Montafoner Tisch?

Montafonertisch ist ein eigener, ganz spezifischer Begriff für Tische, die eben bestimmte Merkmale aufweisen. Die Begrifflichkeit Montafoner Tisch könnte eigentlich für jeden Tisch, der sich im Montafon befindet, verwendet werden.

Montafonertisch | © Montafon Tourismus GmbH, Schruns - Andreas Haller
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Der Montafon Podcast

mit Jens und Hermann

Das Montafon - Ein Tal, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Ein Tal für alle eben. Ein Ganzes. In Echte Berge. Echt erleben. – der Montafon Podcast trifft Jens aus Deutschland auf den Montafoner Hermann. Was kann man im Montafon alles erleben? Wie lebt es sich im Montafon und was steckt noch alles hinter diesem einzigartigen Tal? Mit diesem Podcast bekommst Du einen exklusiven Blick hinter die Kulissen und lernst das Montafon und die vielen fleißigen Menschen noch besser kennen.

Aktuell erzählen Dir Jens und Hermann von der Kulturlandschaft im Montafon, dem Montafoner Dialekt, was es mit dem Montafoner Tisch auf sich hat sowie von der Bedeutung der Montafoner Tracht, warum Hermann so gerne auf den Maisäß geht und wie die Steinschafe ihren Weg zurück ins Montafon gefunden haben. 

JETZT REINHÖREN in Folge 4 "Das Montafon - ein Alpental voller Traditionen"

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